Eragon
Das Geschenk der Götter
(By Sturmblut)
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Kapitel 1-8 Kapitel 9-16 Kapitel 17-23 Kapitel 24-36
Dies ist nun meine aller erste Eragon Fanfiction. Erwähnt sei natürlich als erstes, das „Eragon – das Vermächtnis der Drachenreiter“ und die in den Büchern enthaltenden Charaktere Christopher Paolini gehören (mit Ausnahme ein paar meiner eigenen Charas, die ich nach und nach vorstellen werde).
Kapitel 24
Saphira saß entspannt
in der Sonne und ließ ihre Gedanken um ihr noch immer ungeborenes Junges
kreisen.
Eragon lächelte hinterlistig und begann seine Finger unter ihren Achseln
tänzeln zu lassen. Sofort schreckte Saphira mit einem Fauchen auf, als
er sie unverhofft mit seiner Kitzelattacke überfiel.
>>Eragon, lass das...<< seufzte sie, bevor sie ihn unter ihrer
Vorderpfote begrub.
Eragon schluckte, als sie ihn mit einer gespielt missmutigen Miene
beäugte.
>>Hm… was mache ich nun mit dir, Menschlein?<< brummte sie und
überlegte.
>>Ich könnte...<< Ihr Blick schweifte zwischen den Bäumen, wo sie genau
die perfekte Stelle entdeckte um Eragon zu bestrafen.
>>Oh, Kleiner!<<
Eragon erschauderte über Saphiras Ton und fragte vorsichtig. „Ja,
Liebes?“
>>Ich glaube, du brauchst dringend ein Bad!<< schnaubte sie und hob sich
mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft.
Eragon blickte sich um und bemerkte, das Saphira auf einen See zuhielt,
welcher sich etwas versteckt hinter den Bäumen befand.
„Saphira, nein!“ rief Eragon, als sie sich genau über dem Gewässer
befanden.
>>Zeig mir doch noch mal deine erlernten Flugkünste!<< sprach sie
amüsiert und ließ ihn aus ihren Klauen gleiten.
Eragon ruderte wie wild mit den Armen, bevor er mit einem Platschen ins
kalte Wasser fiel.
Saphira landete am Seeufer und lachte belustigt über ihren triefnassen
Partner.
„Warte nur ab, bis ich meine richtige Größe wieder habe! Denn dann werde
ich…“
Doch Saphira grinste frech und erzeugte mit ihrem Schwanz eine Welle,
die über Eragon hinwegfegte.
>>…wirst du was Kleiner?<<
„Saphira... Hàkons Leute werden bald eintreffen. Was sollen die bloß von
uns denken?“ stöhnte Eragon, als ans Ufer gelangte und sich neben ihr
setzte.
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„Worüber denkst du nach?“ fragte Eragon, als er bemerkte, dass seine
Drachin erneut mit ihren Gedanken ganz wo anders war.
>>Oh… ich denke nur über einen Namen für unsere Tochter nach, aber ich
bin mir noch unschlüssig, ob es auch der Passende für sie ist.<<
„Wie ist das eigentlich bei wilden Drachen? Ich habe es bisher immer nur
so gekannt, das der erwählte Reiter dem jung geschlüpften Drachen einen
Namen gibt.“
>>Selbstverständlich geben unter natürlichen Bedingungen die
Dracheneltern ihren Jungen Namen.<< antwortete die Drachin und grübelte
weiter. >>Aber das ist gar nicht so einfach…<<
„Möchtest du mir nicht den Namen verraten, den du im Sinn hast?
Vielleicht kann ich dir bei der Entscheidung helfen. Ich habe auch eine
Menge Ideen.“
>>Ich dachte an Vanyali.<<
„Vanyali… Tochter von Eragon und Saphira.”
>>Ja... du findest es also auch einfallslos!?<<
„Ganz und gar nicht, Saphira.” Antwortete Eragon. „Dieser Name klingt
viel schöner, als all die Namen, die ich im Sinn hatte…”
>>Wirklich?<<
„Ich finde, dass Vanyali hervorragend zu einem mitternachts blauen
Drachenmädchen passt.“
>>Oh! Danke, Eragon.<< sprach Saphira glücklich und leckte ihm über das
Gesicht. >>Dann wird unser Mädchen Vanyali heißen!<<
+++
Im Laufe des Tages nahte ein Ochsenkarren von vier Männern begleitet aus
der Stadt heran. Eragon konnte erkennen, das sich einige Fässer auf dem
Karren befanden.
„Da kommt endlich unser Met.” Freute sich Eragon.
„Seid gegrüßt, Drachenreiter.” Sprach einer der Männer und schritt auf
Eragon zu, während zwei seiner Begleiter die Ochsen beruhigen mussten,
da sie angesichts der Anwesenheit eines Drachens sehr nervös wurden.
„Wir liefern euch wie versprochen die Fässer Met. Mit besten
Empfehlungen von Hàkon und seinem Vater.”
„Habt Dank!” antwortete Eragon freundlich.
Nachdem sie die Fässer bei Eragon abgeliefert hatten, zogen sie rasch
von dannen, um bloß nicht eine Minute länger bei dem Drachen zu
verweilen.
>>Wollen wir?<< fragte Saphira.
„Jetzt schon? Wollten wir nicht bis heute Abend warten? Ich bin in
diesem Körper sonst zu schnell betrunken.”
>>Nur ein paar Schluck…<< bettelte die Drachin und setzte ihren
niedlichsten Blick auf.
„Erst sind es am Anfang immer nur ein paar Schluck und wir wissen beide
ja sehr gut, wie das danach ausufert.“ seufzte Eragon, konnte aber dem
Blick seiner Partnerin nicht widerstehen. „Also gut…“
>>Dann lass uns einen kleinen Toast aussprechen.<< erklärte Saphira.
>>Auf unseren Bund fürs Leben und auf uns als baldige Eltern.<<
Saphira tauchte ihre Schnauze in das erste Fass, während Eragon nur eine
kleinere Menge zu sich nahm. Die Drachin hatte nicht einmal die Hälfte
des Fasses geleert, da begann sie merkwürdig zu schwanken.
„Saphira ist alles in Ordnung? Du siehst nicht gut aus.“ Sprach Eragon
besorgt.
>>Mir ist so schwummerig.<< murmelte sie und schüttelte ihren Kopf. >>In
meinem Kopf dreht sich alles…<<
„Du kannst doch noch nicht betrunken sein, nach einem halben Fass?!“
bemerkte Eragon und fühlte sich mit einem male ebenfalls benommen.
„Irgendetwas muß in dem Met gewesen sein… das uns…“
Weiter kam Eragon nicht, als sich die Welt plötzlich in Schwärze hüllte.
+++
„Hervorragende Arbeit!” sprach Hàkon, als er zusammen mit seinen vier
Helfern die Lichtung betrat, wo er Eragon und Saphira bewusstlos
vorfand.
„Sie waren absolut arglos.“ meinte einer der Helfer.
Doch Hàkon achtete nicht länger darauf, was der Mann ihm erzählte und
durchsuchte Eragons Gepäck. Schließlich fand er das, wonach er suchte.
„Hier ist es!” dachte Hàkon bei sich und nahm das Drachenei in die
Hände. „Mit dir an meiner Seite, werde ich mir das zurückholen, was mir
geraubt wurde.“
Hàkon glaubte sich schon siegesbewusst, da ertönte ein plötzlich ein
markerschütterndes Gebrüll und wie ein roter Pfeil schoss Dorn vom
Himmel herab, auf die verschreckten Menschen zu und selbst Hàkon war
überrascht, seine einstigen Diener wieder zu sehen.
„Eine wahrhaftige Überraschung. Aber andererseits, wie sollte Eragons
Drachendame sonst zu Nachwuchs gekommen sein?!“
Nachdem Dorn mit einem lautem Getöse aufsetzte, sprang Murtagh mit
gezogenem Schwert von dem Rücken des Drachens. Allerdings hielt er nicht
wie zu erwarten Zar´roc in den Händen, sondern ein sonderbares
Breitschwert, welches mit fremden Runenschriften verziert war, die von
keinem Volke Alagaesias stammten.
„Angela! Kümmere dich um Eragon und Saphira.“
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und eilte sofort zu ihnen.
„Murtagh!“ fluchte Hàkon. Ihm war es natürlich bewusst, dass mit dem Tod
seines alten Körpers sämtliche Schwüre von ihnen abgefallen waren.
„Ganz genau!” spuckte der Reiter des roten Drachens aus. „Wir wissen,
wer du in Wahrheit bist. Händige uns auf der Stelle das Drachenei aus.“
„Und den Schlüssel zur Erneuerung meiner Macht abgeben? Ich denke gar
nicht daran, Murtagh.“ Lachte Hàkon höhnisch, doch da wurde sein Körper
von Krämpfen erschüttert und ein beißender Schmerz hämmerte in seinem
Kopf.
„…Murtagh!“ sprach Hàkon, doch klang seine Stimme jetzt etwas anders als
zuvor. „Ich weiß nicht, wie lange ich ihn aufhalten kann!“
>>Was ist mit ihm?<< fragte Dorn.
>>Das muß der echte Hàkon sein. Irgendwie muß er es geschafft haben an
die Oberfläche zu gelangen.<< antwortete Murtagh.
„Nehmt das Ei und versteckt es vor mir! Schnell!“
Murtagh schnappte sich das Ei und legte es zwischen Dorns Pfoten nieder.
„Kann man dir irgendwie helfen?“ fragte Murtagh und drehte sich zu Hàkon
um.
„Ich weiß es nicht!“ stöhnte Hàkon und merkte das Galbatorix Geist
wieder an die Oberfläche trat. „Falls nicht, müsst ihr mich töten!”
„Du verfluchter Narr!“ tobte Galbatorix mit Hàkons Stimme. „Malthinae!”
Dorn und Murtagh wurden von einem gleißendem Licht geblendet und konnten
für einen kurzen Moment nichts sehen. Als sich ihre Sicht wieder
einigermaßen besserte, war Hàkon verschwunden.
„Das Ei!” keuchte Murtagh.
>>...ist hier.<< antwortete Dorn und Murtagh atmete tief durch, als er
das Ei sicher in Dorns Pfoten sah.
„War das knapp! Ich dachte schon, wir würden zu spät kommen…“
>>Ich glaube, ich bin in meinem Leben noch nie so schnell geflogen… ich
spüre meine Flügel kaum noch.<<
„Ruh dich aus, mein Freund. Du warst großartig.“ lobte Murtagh und
gesellte sich anschließend zu Angela.
„Wie geht es den beiden?“ fragte Murtagh.
„Das Gift, das die Beiden geschluckt haben, hat sie in eine Art
Komazustand versetzt, aber keine Sorge, mir ist dieses Gift bekannt. Es
sollte sie nur außer Gefecht setzten, aber nicht töten.“ antwortete
Angela und nahm aus ihrer Umhängetasche einen kleinen Behälter, der mit
einer stark riechenden Tinktur gefüllt war. Diese hielt sie Eragon und
anschließend auch Saphira unter die Nase.
„Götter, was ist das für ein Geruch?!“ schreckte Eragon hoch und auch
Saphira erwachte mit einem angewiderten Grollen.
„Nur ein altes Hausrezept.“ meinte Angela. „Das weckt beinahe jeden
wieder auf.“
„Angela? Warum bist du hier?“ fragte Eragon verwirrt. „Ich weiß nur
noch, dass wir Met getrunken haben und… danach wurde mir schwarz vor
Augen.“
„Eragon, wir haben so eben deinen Nachwuchs vor einem schlimmen
Schicksal gerettet.“ antwortete Murtagh für Angela.
„Gerettet? Vor welchem schlimmen Schicksal?”
>>Was ist mit unserer Tochter?<< knurrte Saphira.
„Keine Sorge, wir sind noch rechtzeitig gekommen. Wir erzählen euch
alles, was wir wissen.“
Eragon und Saphira waren geschockt. Hàkon war also tatsächlich
Galbatorix Sohn und dieser hat nun durch verbotene Magie den Körper des
Jungen übernommen.
„Wie konnte so etwas nur passieren? Er hat es auf unsere Tochter
abgesehen und beinahe wäre es ihm gelungen, sie uns zu entreißen, wenn
ihr nicht gewesen wärt.“
„Da sind mir noch ein paar Dinge aufgefallen.“ ergänzte Murtagh.
„Offensichtlich weiß Galbatorix nicht, dass du der Vater bist, Eragon.
Dies könnte vielleicht ein Vorteil sein. Außerdem, gelang es dem echten
Hàkon für einen kurzen Bruchteil die Kontrolle wieder zu erlangen.“
„Dies wird höchst wahrscheinlich ein Glücksfall gewesen sein, der sich
möglicherweise nicht so schnell wiederholen wird.“ merkte Angela an.
„Allerdings muß ich gestehen, dass ich nur sehr wenig über diesen
altertümlichen Zauber weiß und selbst meine alte Freundin Flare konnte
mir aus der Geisterwelt nichts Näheres erläutern.“
„Aber es muß doch eine Möglichkeit geben, Hàkon zu helfen.“ Sprach
Eragon.
„Hàkon bat uns, ihn zu töten, wenn es sein muß.“ sagte Murtagh. „Und so
wie ich Galbatorix kenne, wird er uns höchst wahrscheinlich auch gar
keine andere Wahl lassen.“
>>Murtagh…<< sprach Dorn plötzlich und klang sehr aufgeregt.
„Was ist denn Dorn?“
>>Ich unterbreche euch nur sehr ungern, aber…<<
„Aber was? Sprich nicht in Rätseln!“
>>Das Ei! Ich glaube, es bewegt sich!<<
Kapitel 25
Saphira stieß ein fassungsloses
Brüllen aus und riss Dorn glatt um, als sie zu ihrem Ei stürmte.
>>Sie schlüpft! Unsere Tochter schlüpft!<<
„WAS??? JETZT?!“ Eragon eilte ebenfalls zu dem Ei. „Wieso kann
sie nicht warten, bis wir wieder zu Hause sind?“
Beide verstummten, als sie sahen, dass sich auf der ansonsten
markelosen Schale zunächst ein feiner Riss bildete. Doch folgend
darauf zeichneten sich mit leisen Knacken immer mehr Risse auf
der Oberfläche ab, so dass sie bald ein Spinnennetzmuster
erschufen. Die kleine Drachin war offenbar sehr am Kämpfen und
hatte große Mühe, das Ei aufzustoßen.
>>Komm schon, mein Kleines!<< spornte sie ihre Tochter an und
berührte mit ihrer Schnauze sanft das Ei.
„Du schaffst es!“ stimmte Eragon mit ein. Die Knackgeräusche
wichen einem dumpfen Pfiepen, als wolle die kleine Drachin
sagen: „Ich will hier raus!“
Plötzlich brach das Ei ein Stück auf und eine winzige
Drachenpfote ragte heraus.
>>So ist es richtig, kleine Drachendame! Streng dich an!<<
lächelte sie. >>Noch ein bisschen mehr!<<
Eragon und Saphira beobachteten mit einem breiten Lächeln auf
ihren Gesichtern, als die Schale abermals ein Stück aufbrach und
sich diesmal eine zierliche Schnauze zeigte.
„Sie hat es bald geschafft!“ Die Gefühle überwältigten ihn und
die ersten Tränen standen ihm im Gesicht. Er, der einstige
Bauernjunge, eines mittlerweile vergessenen Dorfes und Broms
Sohn, war nun der Vater des ersten wilden Drachens in ganz
Alagaesias nach sehr langer Zeit.
Saphira unterbrach seine Gedanken und leckte ihm über das
Gesicht.
Beide Eltern hielten ihren Atem an, als das Ei plötzlich mit
einem lauten Bersten aufbrach und ein mitternachts blaues
Drachenbaby herausplumpste.
>>Oh, Eragon... ist unsere Tochter nicht wunderschön?<<
Eragon konnte seiner Partnerin nur zustimmen. „Ich kann es kaum
glauben. Sie ist wirklich ein kleines Wunder.“
Ihre Schuppen wirkten auf den ersten Blick fast schwarz, doch in
Wirklichkeit, war es nur ein tief dunkles Blau. Auf ihrem Rücken
trug sie einen weißen stacheligen Kamm, der sich bis zu ihrer
Schwanzspitze hinunterzog. Doch am auffälligsten waren wie bei
ihrer Mutter die strahlend blauen Augen.
„Sie hat zweifellos deine Augen.“ merkte Eragon an. „Ich frage
mich, was sie wohl von mir geerbt hat.“
>>Vielleicht, den Drang sich in Gefahr zu begeben?<< witzelte
sie. >>Das möchte ich jedoch nicht hoffen.<<
„Sehr witzig, Saphira…“
Vanyali sah den riesigen Kopf ihrer Mutter auf sich zukommen und
versuchte sich in den Überresten der Schale zu verstecken,
jedoch ohne Erfolg, denn Saphira begann die kleine Drachin mit
ihrer Zunge zu putzen.
Plötzlich stieß Saphira ein überraschtes Grunzen aus.
>>Autsch!<<
„Was ist los, Saphira?“ fragte Eragon.
>>Sie hat mir gerade in die Zunge gebissen!<<
Eragon konnte sich nicht helfen und musste lachen.
„Jetzt haben wir wohl den Beweis, dass sie tatsächlich meine
Tochter ist. Ich habe es als Kind auch nicht gemocht gebadet zu
werden.“
>>Nun, wenn das so ist, dann weiß ich ja wer sich in der
nächsten Zeit um ihre Pflege kümmern wird.<<
Vanyali folgte dem Ursprung der Stimme, die sie nicht in ihrem
Geist hörte und blickte Eragon mit neugierigen Augen an. Mit
wackeligen Beinen tapste sie unbeholfen auf Eragon zu um ihn zu
beschnüffeln.
„Willkommen, Tochterherz!“ sprach Eragon und wollte das
Drachenmädchen auf seinen Arm nehmen, doch Vanyali wich
überraschend zurück.
„Was ist denn, meine Kleine?“ fragte Eragon erstaunt. „Ich weiß,
dass ich im Moment für dich etwas seltsam aussehen mag, aber du
musstest ja unbedingt vor Sonnenuntergang schlüpfen.“
Das Drachenmädchen schien verwirrt zu sein. Auf der einen Seite
hatte dieser Zweibeiner einen sehr vertrauten Geruch an sich,
aber andererseits sah er so eigenartig aus.
Noch völlig unfähig Worte zu formen, versuchte sie sehr zaghaft
in gedanklichen Bildern zu kommunizieren. Doch Saphira verstand
es als ein: ‚Kein Drache, aber riecht wie Drache.’
>>Dieser komische Zweibeiner ist dein Vater.<< antwortete
Saphira. >>Du wirst es aber schon noch sehen.<<
Behutsam packte Saphira die kleine zierliche Drachin mit ihrer
Schnauze und legte sie Eragon in die Arme.
Der stolze Vater hielt seine Tochter in den Armen, fast so als
wäre sie ein menschliches Kind.
„Vanyali, unsere Tochter…“ sprach Eragon stolz und streichelte
ihr über den Kopf, was sie mit einem vergnügten Schnurren
beantwortete.
>>Können…<< brummte Dorn hinter ihnen. >>Können wir sie auch mal
sehen?<<
Saphira und Eragon waren so dermaßen von ihrer Tochter
fasziniert, das sie die Vier völlig vergessen hatten.
Die Drachin brummte und machte für ihre Freunde Platz, damit sie
Vanyali besser sehen konnten.
Neugierig blickte das Drachenmädchen die vier fremden Wesen an.
„Das sind Angela, Solembum, Dorn und dein Onkel Murtagh.“
erklärte Eragon.
„Eine äußerst interessante Schuppenfarbe.“ sprach Angela
wissbegierig. „Dürfte ich sie untersuchen? Keine Sorge, ich
möchte nur sichergehen, das die kleine Drachendame auch gesund
ist. Immerhin ist dies das erste Mal, das ein ehemaliger
Shur'tugal, ein Drachenbaby gezeugt hat.“
>>In Ordnung, Angela. Obwohl ich nicht glaube, dass ihr das
gefallen wird.<< meinte Saphira.
Doch Angela verstand ihr Handwerk und wusste offenbar genau, wie
sie mit einem jungen Drachen umzugehen hat.
„Keine Angst, kleine Drachendame. Ich werde dir nicht wehtun.“
Vanyali strampelte zunächst zwar ein wenig, beruhigte sich aber
sogleich wieder, da sie erkannte, dass von der Zweibeinerin
keine Gefahr drohte.
„Hm… du sprühst ja förmlich voller Energie und Vitalität. Sehr
gut durchblutete Flügel und die Augen sind klar und glänzend.“
sprach Angela. „Sehr hübsches Drachenmädchen. Ein paar Jahre
noch und ich schätze, du wirst deiner Mutter Konkurrenz machen,
aber lass dir das nicht zu Kopf steigen!“
Angela war zufrieden und ließ Vanyali wieder los.
„Herzlichen Glückwunsch, ihr beiden. Eure Tochter ist wohlauf
und ein kleines Energiebündel.“
„Woher kennst du dich so gut mit Drachen aus?“ fragte Eragon, da
niemand genaueres über Angelas Vergangenheit bescheid wusste.
„Warst du in der Vergangenheit vielleicht auch mal eine
Reiterin?“
„Ich? Nein!“ lachte sie und hielt zum Beweiß ihre Hände vor, die
kein Gedwey Ignasia aufwiesen, die sie als eine mögliche
Reiterin identifiziert hätte. „Sagen wir einfach, ich hatte eine
hervorragende Mentorin, die mir ein umfangreiches Fachwissen
vermittelt hat.“
>>Sie ist so winzig.<< sprach Dorn verblüfft.
„So winzig warst du auch einmal.“ merkte Murtagh an. „Ich
erinnere mich noch daran, als sei es erst gestern gewesen.“
Doch Murtagh wünschte sich, dass die damaligen Umstände anders
verlaufen wären, so dass Dorn nicht gleich nach seiner Geburt in
die Knechtschaft verdammt wurde. Auch wenn sein Drache diese
Zeit inzwischen recht gut überstanden hatte, so blieben aber
dennoch Narben zurück, die nie vollständig verheilt sind.
„Wir werden schwören, dass wir eure Tochter vor allem Übel
beschützen werden.“ Sprach Murtagh plötzlich und wiederholte
diese Worte in der alten Sprache.
Auch Dorn zögerte nicht und legte ebenfalls seinen Schwur in der
alten Sprache ab. Beide waren sich einig, dass sie für die
Zukunft der kleinen Drachin und der neuen Drachengeneration
kämpfen würden. Das Schicksal, das ihnen wieder fuhr, soll
niemals wieder ein anderes Wesen erdulden müssen.
„Danke, meine Freunde. Ohne euch wäre sie Galbatorix in die
Fänge geraten. Das hätte ich mir niemals verziehen, wenn ihr
etwas passiert wäre.“
„Keine Ursache, Eragon. Immerhin ist sie meine Nichte, nicht
wahr?“ lachte Murtagh. „Also gehört sie auch zur Familie.“
+++
„Was bei dem Rat der sieben Teufel hatte das zu bedeuten?“
fluchte Galbatorix. „Ich war so nah dran!“
Hàkon hing nach wie vor in seinem mentalen Gefängnis. Auch wenn
er die Kontrolle nur für einen kurzen Augenblick wieder erlangt
hatte, so war dies doch ein erster Erfolg.
„Wie konnte so etwas nur passieren? Ich hätte es noch
akzeptieren können, dass nur dein Geist hier gefangen gehalten
wird, aber möglicherweise waren die Überlieferungen eines so
alten Zaubers nicht mehr ganz vollständig…”
„Mir tut es wirklich aufrichtig leid, dass ich dir deinen Spaß
verdorben habe!“ sprach Hàkon ironisch.
„Bilde dir nicht all zuviel darauf ein, Hàkon. Diese Spielrunde
mag vielleicht an dich gegangen sein, aber ich werde beim
nächsten Mal meine mentale Abwehr nicht mehr so leichtfertig
vernachlässigen. Ich muß wohl wieder neue Nachforschungen über
diesen alten Zauber anstellen, um die Fehler zu korrigieren, die
mir offensichtlich unterlaufen sind.“
Grübelnd verschwand Galbatorix und ließ Hàkon in seinem dunklen
Gefängnis zurück.
>>Bleibe stark, Hàkon!<< vernahm er plötzlich eine fremde
Stimme.
„Wer spricht da?“ fragte Hàkon verzweifelt in die Dunkelheit,
doch eine Antwort blieb ihm aus. Hatte er sich die Stimme
vielleicht eingebildet? Machte es ihn langsam wahnsinnig, im
eigenen Körper gefangen zu sein? Nein, noch einmal würde er
sämtliche Warnungen nicht mehr länger ignorieren. Dort aus dem
Dunklen war deutlich eine Stimme zu hören, die aber keinesfalls
von Galbatorix stammte.
Noch einen Dämonen konnte er hier absolut nicht gebrauchen,
obwohl diese neue Stimme sehr warm und irgendwie… weiblich
klang. Oder war dies etwa doch ein neuer Zauber von Galbatorix
um ihn noch mehr zu verwirren?
+++
„Wie werden wir jetzt weitermachen?“ fragte Murtagh. „Jetzt, wo
wir wissen wer Hàkon in Wirklichkeit ist, wird er unmöglich nach
Daret zurückgekehrt sein.“
„Nasuada muß unbedingt davon in Kenntnis gesetzt werden.“
antwortete Eragon. „Nur ist die Frage, wer reist in die
Hauptstadt und vermittelt ihr diese beunruhigende Nachricht, das
Galbatorix wieder am Leben ist. Saphira und ich können nicht,
weil wir uns um die kleine Vanyali kümmern müssen, die für uns
im Moment den größeren Vorrang hat.“
>>Dann werden Murtagh und ich zur Hauptstadt gehen.<<
„Wir wollten uns doch versteckt halten...“
>>Murtagh, hast du nicht eben geschworen Eragons Tochter zu
beschützen? Außerdem können wir nicht ewig weglaufen. Hier geht
es um die Zukunft Alagaesias und vor allem unserer Art!<< sprach
Dorn. >>Auch wenn Galbatorix momentan noch keine Armee
aufstellen kann, so ist er dennoch eine sehr ernste Bedrohung.
Du kennst ihn und weißt auch genauso gut wie ich, das er auch
weiterhin hinter dem Drachenmädchen her sein wird, weil er einen
Drachen benötigt. Soll sich denn alles wiederholen?<<
„Nein…“ antwortete Murtagh. „Auch wenn es mir nicht gefällt, in
die Hauptstadt zu gehen.“
„Gut, dann wäre zumindest dieses Problem gelöst.“ sprach Eragon.
Vanyali verstand nicht, was die Großen miteinander redeten, aber
es sah sehr langweilig aus und sie wurde allmählich hungrig.
Doch leider entdeckte sie nichts, was sie fressen konnte, außer
vielleicht dieses schwarze pelzige Etwas...
Schlagartig stieß Solembum einen schrillen Schrei aus und als
sich Eragon und die Anderen erschrocken zu ihm umdrehten,
erkannten sie, das Vanyali der Werkatze in den Schwanz gebissen
hatte. Dabei blickte das Drachenmädchen so dermaßen unschuldig,
dass sich Angela nicht mehr halten konnte und in ein
hysterisches Gelächter ausbrach.
>>Angela… wie kannst du nur darüber lachen?<< schimpfte Solembum
und befreite sich von der kleinen Drachin. Ihm war diese
Situation ungeheuer peinlich. >>Dieses freche Drachenmädchen hat
mich als ihren Appetithappen angesehen!<<
>>Es tut mir so leid, Solembum. Ich werde ihr sofort etwas zum
Fressen besorgen.<< kicherte Saphira und beugte sich zu ihrer
Tochter hinunter. >>Lili, du darfst die Werkatze nicht fressen.
Mama bringt dir etwas Feines!<<
„Jetzt versteht ihr, was ich vorhin meinte…“ sagte Eragon.
Kapitel 26
Nach ihrem Gespräch, trennten sich die
Freunde. Murtagh und Dorn brachen zusammen mit Angela und der Werkatze
nach Ilirea auf, um die Königin von Galbatorix Rückkehr zu unterrichten.
Die Kräuterhexe wäre allerdings noch liebend gerne bei der kleinen
Vanyali und ihren Eltern geblieben, allerdings wollte Solembum keine
Minute länger als nötig in der Nähe des beißwütigen Drachenmädchens
verweilen und drängte Angela gerade dazu, mit Murtagh und Dorn zu
reisen.
Saphira ging indessen auf die Jagd, während Eragon auf Vanyali
aufpasste. Als der Abend schließlich hereinbrach, verlosch auch die
Wirkung des Verwandlungszaubers und Eragon konnte sich seiner Tochter
endlich als das zeigen, was er wirklich war. Anfangs erschreckte sich
Vanyali fürchterlich, doch als sie ihren ersten Schock überwunden hatte
und ihren Vater in seiner Drachengestalt sah, fiepte sie vergnügt auf
und hüpfte vor ihm auf und ab, wie ein Springball.
Als Saphira schließlich von ihrer erfolgreichen Jagd zurückkehrte, sah
sie ihre Tochter zwischen den Pfoten ihres Vaters liegen. Dieser Anblick
rührte das Herz der Drachin.
>>Wie ich sehe hat sie sehr positiv auf deine Rückverwandlung reagiert.
Ich nehme an, ihr gefällt dein Aussehen jetzt sehr viel besser, als
vorher.<< freute sich Saphira und schmiegte sich an ihren Partner. >>Ich
teile ihre Meinung.<<
>>Sie war wirklich sehr davon fasziniert, als aus diesem komischen
Zweibeiner, der sich für ihren Vater hielt, plötzlich ein Drache
wurde.<<
>>Das war für unser armes Mädchen wirklich sehr verwirrend.<< brummte
Saphira mitfühlend. >>Aber nun hat sie ja endlich die Wahrheit erkannt
und darüber bin ich froh.<<
>>Ach, Saphira. Ich denke, jedes wilde Drachenkind hätte so wie sie
reagiert. Ich kann es ihr überhaupt nicht übel nehmen.<<
Nach ihrem abendlichen Mahl, war das Drachenmädchen aber noch lange
nicht müde und jagte einer Libelle hinterher, die zuvor um ihren Kopf
herumschwirrte. Doch das irritierte Insekt konnte der Drachin geschickt
ausweichen, so dass sie ständig ins Leere purzelte.
Doch Vanyali blieb hartnäckig und versuchte immer wieder sich dieses
verflixte Insekt zu schnappen.
>>Sie ist genau so trotzig, wie du.<< witzelte Eragon.
>>Ach?!<< schnaubte Saphira gespielt mürrisch.
Schließlich wurde ihr dieses Spiel aber dann doch zu langweilig und ließ
sich vor ihren Eltern nieder. Eragon lächelte und lehnte sich zu ihr
hinunter, um sie sanft mit seiner Schnauze zu berühren.
Doch plötzlich zuckte sie zurück und schnappte nach Eragons Nase.
>>AU!<< grunzte Eragon mental, sowie physisch und als er seine Schnauze
anhob, hatte sich Vanyali daran festgebissen und strampelte mit ihren
Beinen in der Luft. Eragon schüttelte sein Haupt, doch die kleine
Drachin hatte schon erstaunlich kräftige Kiefer.
>>Sie möchte doch einfach nur spielen!<< sprach Saphira und konnte ihr
Lachen nicht mehr unterdrücken.
>>Wie spielt man denn, mit einem wilden Drachenkind?<< fragte Eragon und
legte seinen Kopf nieder, so das die kleine Drachin ihren „Griff“ etwas
löste.
>>Wie hast du denn zusammen mit Roran gespielt, als ihr noch Jünglinge
ward?<< antwortete Saphira mit einer Gegenfrage und Eragon verstand
worauf Saphira hinaus wollte.
>>Also gut, meine liebe Tochter!<< sprach Eragon und entließ kleine
Rauchwolken aus seinen Nüstern. >>Wenn es DAS ist, was du willst… Aber
sage hinterher nicht, ich habe dich nicht gewarnt.<<
Eragon machte einen Satz und landete hinter der überraschten Vanyali.
Das Drachenmädchen fiepte und versuchte vor ihrem Vater wegzulaufen,
doch Eragon stellte sich ihr in den Weg, so dass sie ihm nicht entkommen
konnte. Vanyali rannte vorwärts und rammte mit ihrem Schädel gegen sein
rechtes Vorderbein, doch Eragon stand wie eine Statue.
>>Na komm schon, Tochterherz!<< neckte Eragon. >>Das kannst du doch
bestimmt besser.<<
Eragon blickte zu ihr hinunter und sah ein schelmisches Funkeln in den
Augen der frechen Drachin.
Plötzlich sprang sie mit geöffnetem Maul vorwärts und zwickte ihren
Vater in den Unterleib.
>>Warum mußt du ausgerechnet meine Tochter sein…<< stöhnte Eragon.
Vorsichtig packte er Vanyali mit seinem Maul und zog sie von seinem Leib
weg.
>>Es wird Zeit zu fliegen, holde Maid!<< witzelte Eragon und schleuderte
sie in eine kleine Pfütze.
Das Drachenmädchen platschte in das flache Wasser und für einen kurzen
Augenblick machte sich ein schlechtes Gewissen in ihm breit. Doch
Vanyali sprang sofort aus dem Wasser und schüttelte sich.
Saphira lachte und amüsierte sich königlich.
>>Ich weiß jetzt, wie ich es zu Ende bringe!<< sprach Eragon.
>>Jetzt schon?<< fragte Saphira unschuldig. >>Ich genieße gerade dieses
Schauspiel. Lass sie doch noch ein wenig.<<
Eragon seufzte und schmolz praktisch bei dem Klang ihrer Stimme dahin.
Vanyali fauchte spielerisch und zeigte ihrem Vater die Zähne, als er
sich zu ihr umdrehte.
>>Also gut, meine Schöne!<< stichelte Eragon. >>Dann zeig mir mal, was
du kannst!<<
Vanyali stürmte abermals mit gesenktem Kopf voran auf ihren Vater los,
aber diesmal um ihn in die Seite zu stoßen. Als sie ihn schließlich
anstieß, ließ sich Eragon absichtlich mit einem Krachen auf die Seite
fallen.
Von dem Aufprall etwas benommen torkelte die kleine Drachin zurück und
blickte ihren Vater verblüfft an, da sie natürlich viel zu klein war, um
diesen stämmigen Drachen umwerfen zu können.
Doch da packte er sie plötzlich im Nacken und hob sie vom Boden auf.
Vanyali verstand nun, dass er sie ausgetrickst hatte und schnappte mit
ihren Zähnen nach ihm.
>>Weißt du, Vanyali. Wenn du so weiter machst, beißt du dir noch auf die
Zunge.<< warnte Eragon.
Vanyali fiepte überrascht und schloss daraufhin ihre Schnute.
>>Sind wir nun miteinander fertig?<< fragte er und das Drachenmädchen
gurrte bejahend.
>>Dann ab mit dir, ins Nest. Wir müssen morgen ausgeruht sein, wenn wir
die Heimreise antreten.<<
>>Ihr wart wirklich niedlich.<< sprach Saphira, als die beiden sich zu
ihr gesellten.
>>Ich habe es wirklich sehr genossen.<< gestand Eragon, als Vanyali es
sich zwischen ihren Eltern bequem machte.
>>Nicht so sehr, wie ich es genossen habe.<< antwortete Saphira und
befreite die Schuppen ihrer Tochter von Staub und Schmutz, was die
kleine Drachin mit leichten Tritten beantwortete. Jedoch war sie
inzwischen so müde, das sie der nervigen Zunge kaum widerstand leistete.
>>Schlaf du auch ein wenig, meine Liebe.<< sprach er zu seiner
Partnerin. >>Ich werde für diese Nacht Wache halten.<<
>>Eragon?<<
>>Ja, Saphira?<<
>>Du bist ein fabelhafter Drachenvater.<<
Kapitel 27
Inzwischen waren einige Tage vergangen, seid Eragon und seine
Partnerin ihre heimatliche Höhle erreichten. Vanyali war inzwischen
ein wenig gewachsen und beide Eltern warteten schon gespannt auf die
ersten Worte ihrer Tochter. Doch bisher schien sich die kleine
Drachin damit Zeit zu lassen. Sie war viel mehr daran interessiert
die neue Umgebung zu erkunden, die viel spannender war. Überall
entdeckte sie etwas Neues.
>>Was glaubst du, wird ihr erstes Wort sein?<< sprach Eragon
aufgeregt. >>Ich hoffe auf Mutter oder Vater!<<
>>Liebster…<< stöhnte Saphira. >>Du bist wirklich unmöglich. Sehr
wahrscheinlich kann sie bereits reden und sagt nur absichtlich
nichts, um dich zu ärgern.<<
Eragon blickte seine Tochter an, doch die legte ihren Kopf schief
und schaute zurück, als wäre sie die Unschuld in Person.
>>Da könntest du vielleicht sogar recht haben.<< murmelte Eragon.
>>Sie wird sich mit dem Sprechen genauso viel Zeit lassen, wie mit
ihrem Schlüpfen.<<
>>Hoffen wir nur, das sie ihr erstes Wort nicht in einer ähnlich
ereignisreichen Situation von sich gibt.<< witzelte Saphira.
Eragon grunzte und richtete sich auf.
>>Meine Schuppen sind völlig matt. Ich könnte heute wirklich ein Bad
vertragen. <<
>>Meine sehen auch nicht besser aus.<< schnaufte Saphira. >>Geh
schon mal zu Fluss hinunter, Liebling. Lili und ich werden später
nach kommen.<<
+++
Dorn flog hoch über den Wolken, um von den Menschen unentdeckt zu
bleiben, denn auch wenn ihnen von Nasuada keine Gefahr ausging,
bedeutete dies nicht, dass ihnen die Menschen Alagaesias ebenfalls
für ihre Taten vergeben hatten, die sie im Dienste Galbatorix
verrichteten.
Murtagh war es mulmig zu mute, als sie sich dem Ort näherten, den er
eigentlich niemals wieder sehen wollte und am liebsten hätte er
gleich kehrt gemacht, als die Stadtmauern in Sichtweite kamen. Auch
wenn die Stadt wieder ihren ursprünglichen Namen trug, so war es für
Murtagh nach wie vor Uru´baen.
>>Murtagh…<< meldete sich Dorn. >>Ich weiß, es ist schwer für dich,
aber wir müssen das jetzt durchstehen, oder es wird wieder so wie
damals werden, wenn Galbatorix es schafft seine Macht
zurückzuerlangen.<<
>>Ja, ich weiß.<< antwortete Murtagh. >>Aber jetzt wo wir wieder
hier sind, kommen sämtliche Erinnerungen wieder nach oben, die ich
eigentlich verdrängen wollte.<<
>>Nur Mut und hab vertrauen zu Nasuada.<<
Murtagh nickte schweigend.
„Geht es dir gut?“ erkundigte sich Angela. Sie bemerkte natürlich
deutlich die Angespanntheit, anhand seiner Körperhaltung.
„Mir geht es hervorragend. Mich macht nur dieser verfluchte Ort
nervös.“
„Die Königin hat hier sehr viel verändert, seitdem du das letzte Mal
hier gewesen bist.“ sprach Angela. „Du solltest deine Vergangenheit
hinter dich lassen.“
„Daran arbeite ich seit über 6 Jahren, doch dann spielt mir das
Schicksal einen Streich und lenkt mich wieder hier her zurück.“
„Einen Streich würde ich das aber nicht gerade nennen. Du solltest
es viel eher als eine Möglichkeit sehen, eure Namen wieder rein zu
waschen. Ihr kämpft ja nicht nur für die Drachen, sondern auch für
die freien Völker Alagaesias.“
+++
Eragon schwamm ruhig und gelassen im Fluss herum, während Saphira
auf Vanyali achtete, die vergnügt im seichten Wasser planschte.
Doch plötzlich glaubte Eragon etwas aus seinen Augenwinkeln heraus
zu erkennen und streckte seinen Kopf aus dem Wasser. Dabei fielen
seine Blicke auf einen fremden Mann, der am Waldrand wie angewurzelt
da stand und die Drachenfamilie beobachtete. Saphira sah ihn
schließlich ebenfalls und positionierte sich augenblicklich vor
Vanyali, die sofort mit ihrem Spielen aufhörte.
Eragon trat aus dem Wasser und gesellte sich zu seiner Partnerin,
dabei hielt er beide Flügel weit geöffnet und begann ein kehliges
Knurren auszustoßen.
Der Mann wurde blass im Gesicht, bei dem Anblick der sich vor im bot
und ergriff panikartig die Flucht.
>>Ich dachte, wir wären wenigstens hier vor Menschen ungestört.<<
sprach Saphira, als sie zu ihrer Tochter hinunterblickte. >>Was
sucht jemand so tief im Buckel?<<
>>Hoffen wir, dass es bloß ein verirrter Jäger gewesen ist.<<
antwortete Eragon. >>Ich werde ihm aber dennoch hinterher fliegen.
Bringe unsere Tochter aber besser zur Höhle zurück.<<
Die Drachin nickte und stieß ihre Tochter sanft an.
>>Sei vorsichtig, Liebster.<<
Eragon stieg in die Luft und schlug die Richtung ein, in die der
Fremdling davon lief.
Den fliehenden Menschen aufzuspüren stellte für Eragon kein großes
Problem dar, denn der Mann war so sehr in Panik verfallen, dass
Eragon seinen Geruch bereits aus einiger Entfernung noch deutlich
erkennen konnte.
Es dauerte nicht sehr lange, bis Eragon einige Zelte entdeckte, die
auf einer größeren Lichtung errichtet waren. Nun war es klar, wo
dieser fremde Mensch her kam.
Eragon flog daraufhin eine steile Kurve und landete auf einer hohen
Klippe, von wo aus er einen guten Überblick auf die Lichtung hatte.
Eragon zählte etwa vierzig Zelte und bei der Größe konnte dieses
Zeltlager keiner Jagdgruppe angehören. Dies machte ihn äußerst
neugierig.
Kurz darauf erspähte Eragon den fremden Mann, den er bis zu diesem
verdächtigen Zeltlager verfolgt hatte.
Dieser schrie und fuchtelte wild mit den Armen, um sich Gehör zu
verschaffen.
„Was schreist du hier so laut herum, Johann? Du solltest doch nach
einem Fluss Ausschau halten, an dem wir unser Dorf errichten können.
Hast du nun ein Gewässer gefunden, oder nicht?“
„Das habe ich, Olav.“ Sprach der verängstigte Mann zwischen seinem
Keuchen. „Aber ich habe dort Drachen gesehen! Riesige, blutrünstige
Drachen!“
„Sei kein Narr.” plapperte eine dritte Person. „Es gibt im Buckel
keine Drachen. Jeder weiß, dass in ganz Alagaesia nur noch ein
einziger lebender Drache existiert.
„Es waren aber drei Drachen! Zwei Große, die mich mit bedrohlichen
Augen anstarrten und nichts als Boshaftigkeit in ihren Herzen trugen
und dann war da noch ein kleinerer Drache, der aber genügend
Potential besitzt, um uns gefährlich zu werden.“
Eragon grollte leise, als er den Mann so reden hörte. Es stimmte
zwar, dass er den Mann angeknurrt hatte, aber nur um ihn zu warnen,
nicht in die Nähe seiner Tochter zu kommen. Die wilden Behauptungen
des Mannes machten ihn wütend, da sie einfach nicht der Wahrheit
entsprachen.
„Du behauptest also, einem Pärchen wilder Drachen begegnet zu sein,
einschließlich Nachkommen? Und du bist dir auch ganz sicher, das es
sich wirklich um Drachen handelt?“ sprach der Mann mit Namen Olav
und soweit Eragon einschätzen konnte, handelte es sich bei ihm um
den Anführer der Gruppe.
„Ich denke mir so etwas doch nicht aus! Ich habe diese Drachen mit
eigenen Augen gesehen und ganz offensichtlich gehört dieser Ort zu
ihrem Territorium.“
„Nun, der Fluss ist für den Bau unseres Dorfes von immenser
Bedeutung.“ sagte Johann. „Das bedeutet, dass wir diese Drachen wohl
von hier vertreiben müssen.“
Eragon hatte genug gehört, denn nun war der Zeitpunkt gekommen, den
Menschen SEINEN Standpunkt der Sache mitzuteilen.
Blitzartig schoss eine gleißende Flammensäule über den Köpfen der
Menschen hinweg.
>>Wenn ihr klug seid, würde ich an eurer Stelle diesen Plan noch
einmal gründlich überdenken!<< brüllte Eragon zu ihnen hinunter und
sah, wie sich die Menschen erschrocken umsahen.
Olav war der erste, der sich von dem Schecken erholte und rief zu
Eragon hinauf: „Was willst du von uns, Drache? Wir wünschen nur von
eures Gleichen in Frieden gelassen zu werden!“
>>Das klang vorhin aber ganz und gar nicht danach! Offensichtlich
wollt ihr mich und meine Familie von unserem zuhause fortjagen,
damit ihr euer Dorf errichten könnt!<< knurrte Eragon. >>Warum seid
ihr dafür in den Buckel gekommen? Die Ländereien des Königreiches
bieten für die Menschen genügend Lebensraum.<<
„Wir sind inoffiziell hier und wollen unser Dorf im Geheimen
aufbauen. Der Krieg hat im Land viel Verwüstung hinterlassen und die
Steuern wurden für den Wiederaufbau drastisch erhöht. Dem versuchen
wir halt zu entkommen.“
>>Steuerflüchtlinge?!<< dachte Eragon bei sich und ihm viel auf, das
die Menschen, die er beobachtete nicht gerade wie die Ärmsten der
Armen aussahen. Es stimmte, das Nasuada die Steuern angehoben hatte
um den Wiederaufbau zu finanzieren, aber Eragon wusste auch, dass
sie absolut keine Ausbeuterin war. Anscheinend waren die
wohlhabenden Leute des Reiches anderer Meinung. >>Das wird Nasuada
bestimmt brennend interessieren! Möglicherweise befinden sich unter
ihnen sogar ein paar Adelige.<<
>>Ich gebe euch einen guten Rat: Kehrt wieder in eure Dörfer und
Städte zurück, wo ihr hergekommen seit und zahlt eure Steuern! Wir
werden euch in Frieden ziehen lassen.<< rief er für alle hörbar.
>>Solltet ihr aber tatsächlich versuchen mich und meine Familie von
hier zu vertreiben, so werdet ihr mit weitaus mehr bezahlen!<<
Eragon flog von der Klippe und spie erneut einen Feuerstrahl über
die Köpfe der Leute, um seiner Warnung zusätzliches Gewicht zu
verleihen.
+++
Die Stadt hätte geradezu überrumpelt werden können, als Dorn zur
Landung ansetzte, da zurzeit nur eine Wache am Tor postiert war.
Murtagh und Angela stiegen von Dorns Rücken ab und näherten sich dem
verblüfften Soldaten, der ihnen nervös seinen Speer entgegen hielt.
Der Mann war bereits während Galbatorix Herrschaft im Dienste der
Armee und erkannte den roten Drachen wieder, sowie auch seinen
Reiter.
„Lord Murtagh…“
„Ja, wir sind aber nicht in feindlicher Absicht gekommen.“
antwortete dieser. „Ich muß Königin Nasuada in einer äußerst
wichtigen Angelegenheit sprechen. Ist sie in der Stadt?“
Murtagh konnte sich immer noch nicht so richtig an die Tatsache
gewöhnen, dass die junge Anführerin der Varden, zur Königin ernannt
worden ist.
„J… ja, unsere königliche Hoheit ist hier.“ stotterte die Wache.
„Ich werde sie umgehend über eure Ankunft informieren, Lord
Murtagh.“
Murtagh seufzte. Es würde sich niemals etwas ändern, egal was er
auch vollbringt. Gänzlich würde er seine Vergangenheit niemals
hinter sich lassen können.
Wenig später kehrte die Wache in Begleitung einiger Soldaten zurück
und wies die vier Freunde in die Stadt.
„Königin Nasuada möchte euch sehen, Lord Murtagh. Meine Kameraden
werden euch auf dem Weg zum Palast Geleitschutz geben.“
Murtagh nickte anerkennend und so betraten sie die Stadt, die
gleichzeitig einst sein Gefängnis war.
+++
Als Eragon die Drachenhöhle betrat, legte er sich neben Saphira und
beobachtete seine Tochter dabei, wie sie sich im Schlaf herumrollte.
>>Hast du herausgefunden, woher dieser Mann kam?<< fragte die
Drachin, nachdem sich Eragon gemütlich gemacht hatte.
>>Eine Menschenansammlung hat den Buckel betreten, um im Verborgenen
ein Dorf zu errichten, damit sie in Zukunft keine Steuern mehr
bezahlen müssen, die der Krieg mit sich brachte. Unglücklicherweise
haben sie beschlossen ihr Dorf unten am Fluss zu errichten, wo wir
unsere Wasserstelle haben. Ich habe ihnen dabei zugehört, wie sie
sich berieten und einer von ihnen kam auf die tollkühne Idee, uns
von hier zu vertreiben.<<
>>Das sollen sie ruhig versuchen!<< knurrte Saphira zornig. >>Sie
werden nicht einmal wissen, was über sie kommen wird.<<
>>Dazu wird es hoffentlich nicht kommen. Ich habe sie ausdrücklich
gewarnt und sie aufgefordert den Buckel zu verlassen.<< meinte
Eragon. >>Ich frage mich, was Nasuada wohl dazu sagen wird, wenn sie
erfährt das praktisch ein ganzes Dorf versucht sich ihren Gesetzen
zu entziehen.<<
>>Wann waren Menschen eigentlich jemals für ihre Vernunft bekannt?<<
Kapitel 28
Sie schritten einen breiten Korridor entlang
der bis zu einer riesigen Eichentür führte. Die Wände des Korridors
waren mit langen prächtigen Wandteppichen dekoriert. All diese Behänge
waren mit den verschiedensten Motiven bestickt und zeigten die
vergangenen Schlachten, aus welchen die Varden als Sieger hervor gingen.
Eines dieser Zierwerke, zeigte sogar den Fall Galbatorix durch Eragons
Hand. Über Murtagh und das was er zusammen mit Dorn für die Beendigung
des Krieges geleistet hat gab es jedoch keine Dekoration.
Die beiden königlichen Wachen, die vor der Tür postiert waren, blickten
den Reiter des roten Drachen etwas argwöhnisch an, öffneten aber ohne
ein Wort zu sagen die schwere zweiflügelige Tür.
Es hatte sich nicht wirklich viel verändert, dachte Murtagh bei sich. Es
wäre besser gewesen diese Festung einzureißen und etwas Neues darüber zu
errichten, anstatt sie unter farbigen Vorhängen und Mosaikfenstern zu
verschleiern. Hinter diesen Mauern hatte der Tod viel zu oft Einzug
gehalten und dieses beklemmende Gefühl, war noch immer deutlich spürbar.
Nein, dies war immer noch Uru´baen. Derselbe Ort an dem Murtagh und Dorn
gefoltert und in die Knechtschaft gezwungen wurden. Jetzt saß
stattdessen die immer noch jugendlich aussehende Anführerin der Varden
auf Galbatorix’ Thron. Eine wahre Ironie des Schicksals.
„Murtagh…“ sprach Nasuada.
„Königliche Hoheit!” antwortete Murtagh mit einer deutlichen Spur von
Sarkasmus in der Stimme.
Nasuada war verunsichert und wusste nicht, wie sie sich verhalten
sollte. Würde Murtagh eine Bedrohung für das neue Reich darstellen? Doch
diesen Gedanken vergrub sie sofort wieder.
„Das ist ein ungewöhnlicher Besuch, Murtagh.“ sagte die junge Königin.
„Wo bist du die ganzen Jahre gewesen?“
„Das ist eine Geschichte für den Lagerfeuerabend, die ich gerne gewillt
bin irgendwann zu erzählen, doch leider haben wir keine Zeit dafür, denn
es gibt einige sehr ernsthafte Dinge zu bereden und nur deshalb bin ich
hier.“
---
Vanyali windete sich plötzlich in Eragons Schnauze, während sie über die
Berge flogen.
>>Was hat sie denn jetzt schon wieder?<< fragte Eragon.
>>Sie ist hungrig.<< antwortete Saphira.
>>Wie kann sie denn jetzt schon wieder hungrig sein?<< stöhnte Eragon.
>>Wir haben sie doch gerade erst vor unserem Abflug gefüttert.<<
>>Sie ist doch noch im Wachstum, Eragon.<< sprach Saphira mit einem
Kichern.
>>Na, schön.<< seufzte er. >>Dort drüben ist ein recht großes
Felsplateau. Ich schlage vor wir landen erst einmal. Unser Tochterherz
wird mir etwas zu unruhig.<<
>>In Ordnung.<< antwortete die Drachin. >>Ich werde inzwischen sehen was
ich finden kann.<<
>>Warte! Eigentlich wollte ich jagen gehen.<<
>>Kommt nicht in Frage, Liebster. Diesmal passt du auf unser Kind auf.
Ich möchte auch mal wieder auf die Jagd gehen.<<
>>Na, schön. Sei vorsichtig!<<
>>Sei DU vorsichtig!<< zwinkerte Saphira ihm zu.
Eragon grunzte und stieß eine schwarze Rauchwolke aus den Nüstern aus,
worauf Vanyali verspielt nach ihr schnappte.
>>Schatz, wann wird sie denn nun endlich anfangen zu sprechen?<< fragte
Eragon.
>>Es dürfte nicht mehr lange dauern. Am schnellsten geht es, wenn du
immer wieder mit ihr sprichst und ihr die verschiedensten Dinge
erklärst.<<
>>Sie hat es schon jetzt Faustdick hinter den Ohren.<< sprach Eragon.
>>Zumindest versteht sie jedes Wort, das wir sagen.<<
>>Ja, da hast du recht.<< antwortete sie. >>Ich treffe euch später auf
dem Plateau. Bleibt immer dicht zusammen!<<
>>Aber natürlich!<< sprach Eragon. >> Also, dann Tochterherz! Wir gehen
runter!<<
Vanyali stieß ein vergnügliches Fiepen aus, als sie auf der Felsplatte
landeten. Immer wieder lauschte Eragon, in der Hoffnung vielleicht ein
kleines Wort von ihr erkennen zu können.
>>Und was machen wir zwei Hübschen in der Zwischenzeit?<< fragte Eragon
seine Tochter, die ihn ganz erwartungsvoll ansah.
>>Schade, das du noch nicht reden kannst.<< sagte Eragon und blickte in
Vanyalis blaue Augen. >>Hast du Lust auf einen Spaziergang mit deinem
Vater?<<
Das kleine Drachenmädchen hob ihren Kopf und stieß ein zustimmendes
Quietschen aus.
>>Dann komm. Diesmal wirst du dich aber nicht wieder an meine
Schwanzspitze hängen, sondern alleine laufen.<< schmunzelte er.
Vanyali blickte zu ihm auf, während sie fröhlich neben Eragon her
watschelte.
>>Pass auf, Lili! Du könntest…<<
Doch Vanyali schenkte ihrer Umgebung nur wenig Beachtung und erblickte
auch nicht das Erdloch direkt vor ihren Füßen, in das sie probt hinein
trat und der Nase lang hin purzelte.
>>…stolpern.<<
Eragon hob seine Tochter vom Boden auf und sprach erklärend: >>Die erste
Regel beim Laufen lautet: Achte immer darauf, wo du gerade hin
trittst.<<
Vanyali nickte verlegen.
>>Gut!<<
Als sie weitergingen fiel Eragon plötzlich ein, was er seiner Tochter
über die Natur beibringen konnte.
>>Dies hier ist eine sehr wichtige Pflanze.<< erklärte Eragon und neigte
sich hinunter, um ihr ein seltsam aussehendes Gewächs zu zeigen.
>>Dieses Kraut wirkt heilend bei Krankheiten und Verletzungen. Damit
habe ich vor längerer Zeit deiner Mutter geholfen.<<
Vanyali roch an der Pflanze, zuckte aber augenblicklich zurück und
musste fürchterlich niesen.
Nach einer Weile entdeckte Eragon den „toten Freund“ und zog seine
Tochter näher zu sich heran.
>>Lili! Das ist der „tote Freund“ und sehr gefährlich. Du mußt ihm stets
fernbleiben, denn selbst Drachen können an seinem Gift sterben. Bislang
ist es noch niemanden gelungen ein Heilmittel gegen diesen tödlichen
Pilz zu finden.<<
Vanyali begriff und fauchte den Pilz böse an.
Eragon setzte seine Unterweisung fort und erklärte seiner Tochter alle
wichtigen Dinge, die ein Drache wissen muß. Von den vier
Himmelsrichtungen angefangen bis hin zum Unterschied zwischen Jäger und
Beutetier. Es begann ihm sichtlich spaß zu machen, seiner Tochter die
Welt zu zeigen. Auch wenn sie noch nicht in der Lage war zu sprechen,
wusste Eragon, das Vanyali seine Worte genau begriff. So musste sich
auch Glaedr gefühlt haben, als er in früheren Zeiten junge Drachen
ausgebildet hatte, dachte Eragon bei sich.
Bald darauf hörten sie das Geräusch von schlagenden Flügeln und als sie
zum Himmel blickten sahen sie Saphira von einer erfolgreichen Jagd
zurückkehren.
Die junge Drachin zwitscherte aufgeregt und machte einige Luftsprünge,
bevor sie auf ihre Mutter zu rannte.
>>Wie ich sehe entwickelst du dich zu einem beachtlichen Lehrer.<< lobte
Saphira anerkennend.
>>Danke, Liebes. Ich bemühe mich nur, ein guter Vater zu sein.<<
>>Und dabei leistest du fabelhafte Arbeit.<< schnurrte sie.
---
„Galbatorix ist am Leben, sagst du?“ fragte Nasuada geschockt. „Aber wie
ist das möglich. Er starb vor unseren Augen!“
„Nur sein Körper, seine Seele aber lebt im Körper des eigenen Sohnes
weiter.“ erklärte Murtagh. „Er hat das alles von Anfang an geplant, für
den Fall das er besiegt werden würde.“
„So etwas erscheint mir ziemlich unvorstellbar.“ murmelte Nasuada.
„Aber es ist die Wahrheit!“ sprach Angela. „Im Augenblick sind seine
Kräfte begrenzt, aber das wird sich ändern, sobald er wieder ein
Drachenreiter ist.“
„Er will Eragons Tochter.“ sagte Murtagh. „Aber wir werden dafür Sorge
tragen, dass er die Kleine niemals bekommen wird…“
„Sie sind Eltern geworden?“ fragte Nasuada neugierig. „Wir haben nichts
mehr von ihnen gehört, seit sie die Stadt verließen.“
„Ihr wildes Drachenmädchen ist kerngesund und hält die beiden ganz schön
auf trab, so wie es sich auch gehört.“ lächelte Angela. „Aber sie
schlagen sich tapfer.“
„Ich werde euch unterstützen so gut ich kann.“ sprach Nasuada, doch sie
wirkte nachdenklich. „Allerdings wird es Schwierigkeiten geben. Ich
persönlich glaube euch ja, aber ohne Beweise für die Existenz von
Galbatorix werden wir weder die Elfen, noch die Zwerge von euren Worten
überzeugen können.“
„Das würde mich nicht im Geringsten wundern.“ entgegnete Murtagh. „Aber
danke, dass wir wenigstens mit deiner Unterstützung rechnen können.“
„Werdet ihr sofort wieder abreisen, oder bleibt ihr über Nacht? Wir
stellen euch natürlich eine Unterkunft bereit.“
„Danke für das Angebot.“ Sagte Murtagh. „Ich weiß nicht, wie sich Angela
entscheidet, aber ich werde es vorziehen draußen bei meinem Drachen zu
nächtigen. Diese Mauern verursachen bei mir ein sehr unbehagliches
Gefühl.“
---
In der verrufenen Schenke „Zur Schandgeige“ trafen sich zu abendlicher
Stunde in der Hauptstadt drei Gefährten. Sie gehörten jener Gruppe von
Steuerflüchtlingen an, die sich im Buckel eine Ansiedelung aufbauten.
„Was soll das heißen, die nächste Karawane findet nicht statt?!“ maulte
Alexander. „Ich muß dorthin!“
„Hast du mir nicht zugehört?!“ antwortete Ian genervt. „Der Wagenzug in
den Buckel findet nicht statt, weil es dort Schwierigkeiten mit Drachen
gibt.“
„Drachen??? Ach, hör mir damit auf! Die sind doch fast alle
ausgestorben. Diese Bauern sind einfach nur zu feige, um in den Buckel
zu reisen.“ meinte Henry.
„Es ist aber eine Tatsache!“ sagte Ian. „Die Siedlung wurde zu nah an
dem Nistplatz der Drachen errichtet.“
„Dann soll die doch einer vertreiben!“ nörgelte Alexander. „Das dürfte
doch nicht so schwer sein!“
„Dir ist doch sicherlich nicht entgangen, dass sich unter unseren Leuten
keine Ritter befinden.“ erklärte Ian. „Wir müssten demnach Söldner
anheuern, aber die sind heutzutage unwahrscheinlich teuer.“
„Verzeiht, wenn ich mich einfach in eure Unterhaltung einmische...“
sprach plötzlich ein junger Mann mit schwarzen Haaren und bleichem
Gesicht. „Aber ich bekam zufällig mit, dass ihr euch über Drachen
unterhalten habt. Dürfte ich mich zu euch setzen?“
„Weshalb interessiert euch das?“ fuhr ihn Henry unfreundlich an.
„Nun, mir scheint es doch so, als würden diese Drachen, von denen ihr
gerade gesprochen habt ein Problem darstellen. Ich könnte euch da
vielleicht behilflich sein, aber möglicherweise habe ich mich auch
geirrt und das Problem ist vielleicht doch nicht so groß…“ antwortete
der Unbekannte und wollte schon wieder gehen, als Alexander ihn stoppte.
„Wartet!“ sprach Alexander und gestattete es dem jungen Mann sich an
ihren Tisch zu setzen. Henry wollte zunächst dagegen protestieren, doch
Alexander beschwichtigte ihn. „Hören wir uns doch erst einmal an, was er
uns zu sagen hat.“
Widerwillig, wenn auch mit viel Misstrauen dem Fremden gegenüber, lenkte
Henry ein.
„Wir wollen in den Osten auswandern.“ schilderte Ian. „Zurzeit wird im
Buckel eine provisorische Siedlung aufgebaut. Zwar nicht ganz legal,
aber das behaltet Ihr bitte für euch!“
Der Fremde nickte.
„Bitte fahrt fort!“
„Heute erhielten wir die Nachricht von unserem Verwalter, dass die
Siedlung von einem Drachen bedroht wurde. Offensichtlich befindet sich
die Siedlung zu nahe an ihrem Nest. Jedenfalls sitzen meine Kameraden
und ich nun in dieser Stadt fest, da der nächste Transport in den Buckel
wegen der Drachen geplatzt ist.“
„Ein Drachennest im Buckel?“ sprach der junge Mann begierig. „Um wie
viele Drachen handelt es sich denn, wenn ich mir diese Frage erlauben
darf?“
„Johann berichtete von drei Drachen. Zwei Große mit ihrem Jungtier!“
sagte Ian. „Sie alle trugen blaue Schuppen.“
„Tatsächlich? Ich habe bisher nur von einem männlichen Drachen in
Alagaesia gehört und der hatte rote Schuppen.“ entgegnete der Unbekannte
und war sichtlich überrascht. „Die anderen wurden doch soviel ich weiß
von den Abtrünnigen getötet und das ist schon eine Ewigkeit her. Seit
Ihr euch dessen sicher?“
„Das blaue Männchen wurde von allen Leuten der Siedlung gesehen,
einschließlich unseres Verwalters und es hatte zu ihnen gesprochen.“
„Nun ist mir alles soweit klar. Ihr habt ziemlich großes Glück gehabt,
das ihr hier auf mich gestoßen seid, denn ich habe bereits Erfahrungen
im Kampf mit solchen Kreaturen.“
„Ihr habt gegen richtige Drachen gekämpft?“ fragte Henry zweifelnd.
„Danach seht ihr aber gar nicht aus.“
„Sagte ich etwa Drachen? Ich hatte Fanghur gejagt und erlegt. Diese
Tiere sind fast wie die Drachen, nur vielleicht etwas weniger
intelligent.
„Diese Drachen brauchen ja nicht unbedingt getötet zu werden.“ sprach
Ian. „Sie sollen einfach nur verschwinden.“
„Und da komme ich ins Spiel! Niemand, weder die Drachen noch eure Leute
werden dabei zu schaden kommen.“
„Das klingt vernünftig...“ überlegte Alexander „Angenommen wir reisen
auf eigene Faust in den Buckel. Was würdet Ihr als Bezahlung verlangen?“
„Ich will von euch kein Gold, denn ich sehe es als meine ritterliche
Pflicht an Notleidenden zu helfen.“
„Ah, sehr gut! Je weniger Gold wir ausgeben müssen, umso besser!“
flüsterte Alexander seinen Kameraden zu.
„Wir sind einverstanden!“ sagte Ian und reichte dem unbekannten die
Hand. „Wie lautet noch gleich euer Name?“
„Oh, wie unhöflich von mir! Mein Name ist Hàkon.“
Kapitel 29
Eragon und Saphira schritten Seite an Seite zusammen mit ihrer
Tochter durch die Wüste Hadarac. Die Sonne brannte hoch am Himmel
und die Sonnenstrahlen wurden von den Schuppen der Drachen
aufgenommen. Eragon brummte zufrieden, als seine Tochter im
Wüstensand herumtollte. Er schmiegte sich an seine Partnerin und
berührte sie liebevoll mit seiner Schnauze. Eragon war überglücklich
mit seinem Leben. Was konnte es auch Schöneres auf dieser Welt
geben, als eine bezaubernde Partnerin und ihre liebenswerte Tochter.
Doch plötzlich verdunkelte sich der Himmel, als unerwartet dicke
Wolken die Sonne verdeckten.
Eragon schaute auf und wunderte sich, wieso das Wetter so
urplötzlich umschlug, während vor einigen Minuten noch strahlender
Sonnenschein herrschte und keine einzige Wolke am Himmel zu sehen
war.
Und noch etwas anderes veränderte sich… Eragon bemerkte, das die
Welt um ihn herum immer größer wurde. Begriff dann aber schnell,
dass es nicht die Umgebung war, die größer wurde, sondern er wurde
immer kleiner.
Eragon blickte an sich hinunter und keuchte, als er seinen
menschlichen Körper sah.
Wie konnte es sein, das er sich in einen Menschen verwandelte, ohne
die magischen Worte gesprochen zu haben?!
Eragon war verwirrt.
Da dröhnte eine mächtige Stimme in seinem Kopf:
„Vielen Dank für deine Dienste, Eragon.“
Eragon erkannte diese Stimme sofort. Es war der jenige, dem es
Eragon zu verdanken hatte, in einen Drachen verwandelt zu werden –
Kuthian.
„Warum hast du mich zurück in einen Menschen verwandelt? Ich dachte,
ich würde für immer ein Drache bleiben?“ rief Eragon zum Himmel
hinauf, während Saphira sich ihrer Tochter zuwandte und Eragons
Problem gar nicht zu bemerken schien.
„Dies war nur eine vorübergehende
Verwandlung. Sie sollte bloß so lange andauern, bis sich Saphira aus
ihrer Depression erholt und ihr ein Junges beschert wird. Dies hast
du nun vollbracht und bist den Göttern ab jetzt nichts mehr
schuldig.“
Eragon liefen die Tränen übers Gesicht.
„Du hattest mir das größte Geschenk der Welt gemacht und jetzt
willst du es mir einfach wieder wegnehmen?“
„Da du nun wieder ein Mensch bist, kannst du
dir unter deines Gleichen eine neue Familie aufbauen, unterdessen
wird Saphira ihr Junges mit sich nehmen und sich auf die Suche nach
einem wahren Drachen machen. Da Dorn wieder in Alagaesia aufgetaucht
ist, wird er wohl zweifellos Saphiras neuer Partner werden.“
„Nein, das kann nicht sein!“
Wie auf Kommando, packte Saphira Vanyali im Nacken und flog mit ihr
in westlicher Richtung davon, während sie Eragon allein zurück ließ.
Eragon schrie verzweifelt hinter ihnen her, doch weder sie noch
seine Tochter schienen ihn zu verstehen und ignorierten seine Rufe.
„Saphira, Vanyali! Kommt zurück!!!”
Eragon schreckte auf und fand sich inmitten seiner Höhle, im Buckel
wieder. Neben ihm im Nest lagen Saphira und seine Tochter.
>>Ein Alptraum…<< dachte Eragon, aber dennoch zitterte er leicht.
Eines seiner größten Besorgnisse, die tief in seinem
Unterbewusstsein umhergeisterten, hatte sich nun in einem Alptraum
gezeigt. Um niemanden zu wecken richtete er sich vorsichtig von
seinem Schlafplatz auf und wanderte zum Höhlenausgang.
Trotz seiner Bemühungen sich leise zu verhalten, weckte er Vanyali
auf. Das Drachenmädchen beobachtete, wie ihr Vater aus der Höhle
ging und legte verwirrt den Kopf schief. Es war draußen noch immer
Dunkel und sie wusste, dass es noch viel zu früh war um aufzustehen.
Vanyali kletterte aus ihrem Nest und folgte ihrem Vater hinaus.
Eragon beruhigte sich allmählich, als er über diesen Traum
nachdachte. Es war äußerst unwahrscheinlich, das so etwas
tatsächlich passieren könnte. Kuthian sagte nie, das es sich um
einen zeitlich begrenzten Zauber handelte und Saphira würde ihn
niemals auf eine solche Art und Weise verlassen. Ebenso wenig würde
ihn seine eigene Tochter ignorieren.
Eragon fuhr plötzlich zusammen, als etwas Kleines sein rechtes
Vorderbein berührte. Der Drache neigte knurrend seinen Kopf hinunter
und blickte verwundert, als er seine Vanyali sah, die ihn mit großen
Augen fragend anschaute.
>>Was machst du denn hier draußen, Lili?<< fragte Eragon und zog sie
mit einem Flügel dicht an ihn heran, um sie vor der Kälte der Nacht
zu schützen. Es war Herbst und die Blätter der Bäume verfärbten sich
gelb-bräunlich.
Vanyali kuschelte sich an ihn und schnurrte glücklich, als die Kälte
verschwand.
>>Hast du es gemütlich?<< fragte Eragon.
>>Ja!<< ertönte plötzlich eine leise Stimme in seinem Kopf.
Kapitel 30
Eragon glaubte zunächst sich
getäuscht zu haben, doch er hatte tatsächlich die Stimme seiner
Tochter vernommen. Vanyali hatte ihr erstes Wort gesagt!
>>Saphira, komm schnell her!<<
Die Drachin schreckte aus ihrem Schlaf auf und stürmte schnaubend
aus der Höhle, in dem Glauben angegriffen zu werden.
>>Eragon, bei allen Göttern, was ist los?!<< fragte sie aufgeregt.
>>Greifen uns die Dorfbewohner an?<<
>>Nein, es ist nichts Schlimmes passiert.<< antwortete Eragon.
>>…und warum ist unsere Tochter mitten in der Nacht hier draußen?
Sie sollte eigentlich um diese Zeit schlafen.<<
>>Ich wollte dir nur etwas zeigen.<< erklärte Eragon und neigte
seinen Kopf zu der kleinen Drachin hinunter.
Verwirrt musterte Saphira ihren Partner und blickte anschließend
Vanyali verwundert an.
>>Also, Lili.<< sprach Eragon und wies auf Saphira. >>Kannst du mir
sagen, wer das ist?<<
>>Mutter!<< antwortete Vanyali fröhlich.
>>Sie spricht!<< antwortete Saphira überrascht.
>>Ist das nicht toll? Ich dachte schon, ich würde niemals ihre
Stimme hören.<<
>>Jetzt übertreib nicht, Eragon.<< sagte Saphira und leckte ihrer
Tochter liebevoll über die Schnute. >>Nun geht es aber wieder ab ins
Nest. Du solltest um diese Zeit überhaupt nicht auf den Beinen
sein.<<
>>Nein...<< jammerte Vanyali. >>Will nicht schlafen!<<
>>Keine Widerrede, kleine Prinzessin!<< knurrte Saphira leicht und
packte die junge Drachin im Nacken und trug sie in die Höhle
zurück.
---
Nachdem sie Nasuada die unerfreuliche Nachricht über Galbatorix’
Wiederkehr von den Toten überbracht hatten, befanden sich Murtagh,
Angela und Dorn wieder auf dem Weg in den Buckel. Auch wenn sie nun
durch die Königin in Alagaesia freies Geleit erhielten, waren
Murtaghs Gefühle immer noch gespalten.
„Sie wissen nun, dass wir in guter Absicht kamen.“ sprach Murtagh zu
seinem Drachen, als sie zu später Stunde eine Rast einlegten. „Aber
ich fühle dennoch ihren Misstrauen.“
>>Wir müssen schauen, was die Zeit bringt.<< antwortete Dorn.
„Dein Drache hat recht.“ stimmte Angela zu. „Du machst dir viel zu
viele Sorgen.“
„Ja, aber die sind nicht alle unbegründet. Nasuada auf Galbatorix’
Thron sitzen zu sehen missfällt mir auch sehr. Ich habe das Gefühl,
dass sie sich mit dieser hohen Verantwortung ziemlich übernimmt.“
„Du solltest sie nicht unterschätzen, Murtagh. Sie tut alles was sie
kann, um das Land zusammen zu halten und bisher waren die meisten
Menschen mit ihr als Königin überaus zufrieden.“
„Wie auch immer, ich bin nur froh so weit weg von dieser Festung zu
sein, wie möglich.“ sagte Murtagh und stand auf. „Ihr beide solltet
jetzt besser etwas schlafen. Wir werden morgen in aller Frühe
aufbrechen.“
„Ihr werdet nirgendwohin aufbrechen!“ sprach plötzlich eine Stimme
zwischen den Bäumen.
„Wer spricht da?“ zischte Murtagh und zog sein Schwert. „Gib dich zu
erkennen!“
„Aber, aber! Du wirst mich doch wohl nicht vergessen haben, Lord
Murtagh.“ antwortete die Stimme und ein hünenhafter Mann kam
zwischen den Bäumen hervor. „Du kämpftest einst mit deiner Bestie an
der Seite meines früheren Herrn.”
Dorn knurrte verächtlich, angesichts dieser dreisten Beleidigung.
„Natürlich erkenne ich dich: Bramen Gallo!“ sprach Murtagh. „Du
warst vor Jahren ein Offizier im Dienste der königlichen Leibgarde.”
„So ist es Lord Murtagh. Ich gehörte zu Galbatorix engsten Dienern.
Ebenso, wie du!”
„Nicht wie ich!“ schoss Murtagh zurück. „Ich wurde gegen meinen
Willen benutzt. Du hingegen warst ein kranker Sadist und Folterer!
Ein Speichellecker, der immer nur auf seinen eigenen Vorteil aus
war.”
„Hüte deine Zunge!“ schrie der Fremde und zog sein Schwert.
Murtagh wies Angela vorsichtig an, auf Dorns Rücken zu steigen, was
sie auch geschwind tat.
„Komme langsam zu Sache, was willst du hier?“
„Es verbreiten sich so einige Gerüchte. Mir ist zu hören gekommen,
dass du derzeit Eragons vertrauenswürdiger Freund bist, nicht wahr?
Fast wieder so etwas wie eine Familie.”
„Das bin ich nicht.” wich Murtagh aus. „Ich verriet ihn einst und
ruinierte damit für immer sein Vertrauen.”
Bramen lachte laut auf, als er das hörte.
„Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, würde Eragons Drachendame dich
wohl kaum in die Nähe ihres Junges lassen.“
Murtagh und Dorn bissen beide die Zähne zusammen und mussten sich
schwer Zügeln, um sich nicht unbedacht auf Bramen zu stürzen.
„Woher weißt du davon?“ rief Murtagh.
„Oh, Hàkon hat mir sehr viel erzählt. Ein sehr interessanter Mann
übrigens! Hat erstaunlich viel von seinem Vater geerbt!” deutete er
an. „Fast könnte man behaupten, es handle sich um Galbatorix höchst
persönlich.“
„Falls er abermals plant uns zu seinen Knechten zu machen, wird er
diesmal keinen Erfolg damit haben!“
„Oh, aber er will dich überhaupt nicht auf unsere Seite ziehen.“
sprach Bramen grinsend. „Immerhin warst du damals für seinen
Untergang verantwortlich. Nein, nein! Du wirst das Lösegeld sein, im
Austausch gegen Saphiras Junges!”
„Darauf wird Eragon niemals eingehen!“ schrie Murtagh und nahm eine
defensive Kampfstellung ein. „Das Drachenkind werdet ihr nicht
bekommen. Vorher wirst du uns töten müssen.“
„So verlockend das auch wäre.“ spottete Bramen. „Aber leider habe
ich meine Befehle und für den Augenblick will Hàkon dich lebend.“
„Versuche es ruhig, wenn du glaubst, dass du eine Chance gegen uns
hast!”
Dorn öffnete sein riesiges Maul, um den Mann mit einem Feuerstrahl
zu verbrennen, doch ruckartig zuckte der Drache zurück, als ihn ein
stechender Schmerz durchfuhr. Angela musste sich krampfhaft
festhalten, um nicht von Dorns Rücken zu fallen.
Erschrocken stellte Murtagh fest, dass sich ein Pfeil in Dorns
schuppige Wange gebohrt hatte, nur knapp unterhalb seines Auges.
„Du glaubtest doch wohl nicht ernsthaft, dass ich ganz allein
gekommen bin, oder?“ sprach Bramen. „Ihr habt keine Ahnung wo die
Schützen stecken oder wie viele wir sind. Hàkon will zwar DICH
lebend Murtagh, aber von deinem Drachen war keine Rede. Wenn du dich
aber freiwillig ergibst, muß dein Tier nicht unnötig sterben.“
>>Lass dich nicht darauf ein, Murtagh!<< schrie ihn Dorn mental an,
so das ihm der Kopf dröhnte. >>Denke an deinen Bruder! Deine
Familie!<<
„Nein! Er wird mich nicht lebend bekommen!“ rief Murtagh „Mein
Drache und ich werden kämpfen bis zum Tod, wenn es sein muß!“
„Wie bedauerlich, ich hatte dir eine faire Wahl gelassen.“ rief
Bramen. „Somit hast du nun den Tod deines Drachen besiegelt…
Bogenschützen!”
Plötzlich zischten Pfeile wie ein Schwarm wütender Hornissen durch
die Abendluft.
„Diese Feiglinge scheuen einen offenen Kampf!“ knurrte Murtagh.
„Schütze deine Augen, Dorn! Sie haben es hauptsächlich auf dich
abgesehen!“
Dorn hielt seine geöffneten Flügel über sein Gesicht, in dem
Bemühen, seine Augen vor den anfliegenden Pfeilen zu schützen.
„Wir befinden uns in einer sehr ungünstigen Lage.” sprach Angela
nervös. „Es wäre eine weise Entscheidung, wenn wir uns
augenblicklich zurückziehen.“
>>Sie hat recht! Verschwinden wir von hier!<< Dorn schnappte sich
Murtagh mit seiner Vorderklaue und flog davon.
„Aber dieser Bastard!“
>>Den begegnen wir schon wieder!<<
„Woher hat Galbatorix plötzlich so viele Helfer?“ fragte Angela.
„Käufliche Söldner sind ziemlich einfach aufzutreiben.“ antwortete
Murtagh und machte sich daran, Dorns Verletzungen zu heilen. “Es
gibt aber anscheinend immer noch einige ehemalige Königstreue, wie
dieser Bramen.”
„Er wird allmählich zu einem immer größeren Problem. Seine Macht
nimmt zu!“
„Wir müssen uns beeilen! Ich hoffe, dass er noch nicht die Höhle von
Eragon und Saphira entdeckt hat.“
Kapitel 31
Als die Sonne über die Gipfel
der Berge aufging, erreichte Angela die Höhle der Drachenfamilie.
Nichts deutete darauf hin, dass ihnen Galbatorix zuvorgekommen war,
was Angela ungemein erleichterte.
Als sie die schlafende Form von Eragon erblickte, nahm sie
vorsichtig einen länglichen Ast und stupste damit leicht Eragons
Schnauze an, um ihn zu aufzuwecken.
Die Kräuterhexe zog verdutzt die Augenbrauen hoch, als der Drache
endlich seine Augen öffnete. Sie waren völlig blutunterlaufen und
überhaupt hatten Eragons Schuppen eine sehr blasse, ungesunde Farbe.
„Genau das, was wir jetzt brauchen…“ stöhnte Angela.
In dem Moment als Murtagh und Dorn sich der Höhle näherten, trat
ihnen Angela aufgeregt entgegen.
„Keinen Schritt weiter, Murtagh! Halte deinen Drachen von Eragons
Höhle fern!“
„Wieso?! Was ist denn los?“ fragte Murtagh.
“Drachen-Influenza...” antwortete Angela. “Hochgradig ansteckend!”
Dorn blickte alarmiert und kehrte sofort um.
„Wir sind bei den Carvahall Ruinen.“ rief Murtagh zurück und machte
sich mit seinem Drachen davon.
Angela untersuchte den Drachen genauer, während dieser seinen
schmerzenden Kopf wieder senkte. Eragon fühlte sich so kraftlos und
träge.
„Diese Krankheit ist so ansteckend…“ sprach Angela. “Wie habt ihr
euch das denn eingefangen?“
>>Dieser große Tölpel hatte neulich eine Nacht draußen mit unserer
Tochter verbracht und sich dabei unterkühlt.<< murmelte Saphira und
blinzelte. Ihre eigenen Augen waren ebenfalls gerötet.
„Um zu genesen ist Wärme sehr wichtig!“ erklärte Angela. „Da ich in
diesem Fall nicht viel für euch tun kann, müsst ihr euch durch eure
eigene Körperwärme aufwärmen.“
Saphira nickte und kroch schwerfällig zu ihrem Partner und legte
ihren Flügel um ihn. Eragon tat das gleiche und nahm das
Drachenmädchen in ihre Mitte.
„Gut so. In der Zwischenzeit werde ich aus Kräutern ein Elixier
herstellen, welches ich euch dreimal am Tage verabreichen werde.“
fuhr Angela fort. „Außerdem habe ich vor mir diese Gruppe von
Individuen anzusehen, die wir beim Vorbeiflug in der Nähe
sichteten.“
---
Draußen fand Angela Solembum schlafend auf ihrem Gepäck liegend vor,
welches sie vor der Drachenhöhle liegen gelassen hatte. Unsanft
stieß sie ihn von ihrem Beutel, so das die Werkatze erschocken
fauchte.
>>Wofür war das nun? Ein einfaches ‘aufstehen’ hätte gereicht!<<
Angela antwortete nicht und begann aus ihren Sachen einen Kessel und
verschiedene Blätter herauszukramen.
Solembum schnüffelte neugierig an den herb riechenden Kräutern.
>>Ich nehme an, unsere Drachen haben sich unterkühlt.<< stellte er
fest.
Ohne auf die Worte der Werkatze einzugehen, füllte sie den Kessel
mit Wasser und gab die Zutaten hinein. Anschließend entzündete sie
ein Feuer und brachte das Wasser leicht zum kochen.
„Das wird jetzt einige Stunden dauern.“
>>Und was planst du während das Wasser kocht?<< fragte er.
„Die Antwort dazu kennst du bereits. Wir gehen zu dieser Ansiedelung
und unterhalten uns mit den Leuten. Wollen wir schauen, ob wir sie
nicht dazu bewegen können…. weiter zuziehen.“ lächelte Angela und
holte eine mysteriöse Flasche aus ihrer Tasche hervor.
>>Gut, gut. Aber ich empfehle dir mit ihnen zu reden, BEVOR du dich
dazu entscheidest, sie zu vergiften.<<
„Aber natürlich werde ich zuvor mit ihnen reden. Dies ist nur eine
reine Vorsichtsmaßnahme, falls sie keine Vernunft zeigen.“
Angela suchte noch ein paar Gegenstände zusammen und machte sich
anschließend auf den Weg.
---
Nach einem zweistündigen Fußmarsch erreichte Angela die Lichtung und
blickte auf die schluderige Anordnung verschiedenster Zelte.
Als sie begann sich unter die Leute zu mischen, wurde sie mit
seltsamen Blicken beäugt, was natürlich nicht verwunderlich war, da
Angela praktisch wie aus dem Nichts aus dem Wald auftauchte und in
keinem Fall zu den Personen gehörte, die sich hier ansiedeln
wollten.
Während Angela an einem Stand vorbei schlenderte, um sich einige
interessante Pilze näher anzusehen, welche dort zum trocknen
aufgehängt waren, verschwand einer der neugierigen Zaungäste hastig
in eines der Zelte und ehe sich Angela versah wurde sie von mehreren
Leuten umzingelt.
Ein mittelaltriger Mann, der einen Hauch von Autorität ausstrahlte,
trat schließlich auf Angela zu und hielt die Hand griffbereit an
seinem Dolch. Es bestand Grund zur Annahme, dass es sich bei dem
Mann um so etwas wie den Anführer der Siedlung handelte.
„Und mit wem haben wir hier das Vergnügen, edle Dame? Mir wurde
gesagt, dass Ihr direkt aus dem Wald gekommen seid und nicht unserer
Gemeinschaft angehört. Ich zweifle jedoch sehr stark daran, dass Ihr
vollkommen allein auf Reisen seit.“
„Mein Name ist Angela und abgesehen von meinem Kater hier, bin ich
in der Tat allein auf Reisen.” sprach die Hexe und auch Solembum
spielte mit und strich miauend um ihre Beine. „Ich bin eine
Kräuterkennerin und meine Suche nach interessanten Gewächsen, führt
mich manchmal in die entlegensten Gebiete. Nun, dürfte ich fragen,
weshalb sich eine so große Schar von Leuten hier im Buckel aufhält?
Für einfache Jäger seit ihr zu viele.“
„Das geht euch nichts an.” grinste der Mann. „Praktisch gesehen habt
Ihr uns nie getroffen. Wir werden hier auch nur für eine kurze Zeit
verweilen. Vermutlich so lange, bis wir unser… kleines Problem aus
der Welt geschafft haben. Wir haben vor weiter nördlich in die
Richtung des Flusses zu ziehen.“
„Ah, ich verstehe! Diese Drachen bescheren euch wohl Ärger, nicht
wahr?“ Angela grinste hämisch, als das arrogante Lächeln vom Gesicht
des Mannes verschwand.
„Ja, aber das ist nur eine Frage der Zeit.“
„Und wieso glaubt Ihr, dass sich Drachen von einer Ansammlung
Vargabunden, wie euch aus ihrem Revier vertreiben lassen? Wenn ich
mir eure Wagen mit Baumaterial und anderen Dingen so ansehe, dann
plant Ihr offenbar etwas Langfristigeres zu errichten. Ein Dorf
vielleicht?!“
„Ich gebe zu, dass wir über noch keinen direkten Plan nachgedacht
haben, was diese Drachen betrifft, aber uns bleibt keine andere
Wahl. Ihr Territorium ist der sicherste Platz im ganzen Buckel. Es
hat einen Fluss und durch die Berge bietet es einen guten Schutz vor
Stürmen. Ich hörte, dass Drachen einen sehr ausgeprägten
Beschützerinstinkt haben, was ihre Jungen betrifft. Vielleicht
würden sie sich einen sicheren Ort suchen, wenn wir ihre Brut nur
lange genug bedrohen.“
Dies verärgerte Angela ungeheuerlich, jedoch behielt sie ihre Nerven
und zeigte dies nicht offen.
„Ein ziemlich gewagtes Unterfangen. Dies ist aber keinesfalls eine
Garantie dafür, dass sich diese Drachen nicht anschließend auf euch
alle niederstürzen werden. Wie dem auch sei, ich habe gefunden,
wonach ich gesucht habe und würde gerne diese Pilze kaufen.“ sprach
Angela an und zeigte auf die getrockneten Pilze, des Gemüsestandes.
„Danach werde ich wieder gehen.“
„Betrachtet sie als Geschenk, im Austausch gegen euer Schweigen: Ihr
habt uns niemals gesehen!“ sprach der Mann und schnitt ihr ein
Bündel Pilze ab.
„Wen habe ich gesehen?“ fragte Angela verwirrt.
Der Mann lächelte und schließlich löste sich der Pulk um sie herum
auf und jeder ging wieder seiner Tagesbeschäftigung nach.
>>Das sieht dir ja gar nicht ähnlich so ruhig zu bleiben, während
jemand damit droht Drachenkinder etwas anzutun.<< sprach Solembum
als sie zwischen den Zelten umherwanderten.
„Es ist mir durchaus klar, dass ich nicht viel erreicht hätte, wenn
ich völlig unbedacht reagiert hätte. Aber ich gebe zu, es war nicht
leicht.“ Ihr Lächeln kehrte zurück als sie einen großen Kochkessel
sah, in denen die Speisen für das gesamte „Dorf“ vorbereitet wurden.
Sie näherte sich einem der Köche und lächelte ihn freundlich an.
„Seit mir gegrüßt! Ich wollte nur vorbeischauen und euch ein sehr
edles Gewürz anbieten, über welches normalerweise nur die königliche
Küche verfügt.“
Der Koch schien interessiert zu sein, blickte aber sehr skeptisch.
„Und aus welchem Grund würdet Ihr ausgerechnet mir ein derartiges
Angebot machen?“ fragte dieser, während er den dampfenden Eintopf
umrührte.
„Oh, aber doch nicht allein für euch! Es ist natürlich für eure
Gemeinschaft bestimmt.“ Angela packte ein unscheinbares Säcken aus
und nahm eine kleine Priese davon zu sich, um zu beweisen, das es
sich um keinen Giftstoff, oder ähnliches handelte. Als nichts
geschah, reichte sie dem Koch den Beutel, der ebenfalls das Gewürz
kurz kostete.
„Das ist ganz ausgezeichnet! Ich denke, dies würde dem faden Eintopf
das besondere ‚Etwas’ verpassen!“
„In der Tat! Wenn es euch gefällt, dann nehmt bitte dieses Gewürz,
als Dankbarkeit für die Pilze, die ich von dem Mann dort drüben
erhalten habe.“ sagte Angela und machte sich wieder auf den Weg
zurück zur Drachenhöhle.
>>Ich beneide diese Leute kaum um ihr Essen…<<
„Das tue ich auch nicht. Diese Substanz ist an sich völlig harmlos,
solange sie nicht gekocht wird.“ sagte Angela. „Erhitzt wird dieses
Zeug allerdings wahre Freuden in den Mägen dieser Leute auslösen.
Ich würde sagen, dass wir unseren Drachen damit eine Woche Zeit
verschafft haben, um sich von ihrer Krankheit erholen zu können,
bevor sich diese Leute zu einem ernstzunehmenden Problem
entwickeln.”
Kapitel 32
Als Angela die Drachenhöhle erreichte, war das Wasser schon fast am
Überkochen. Zügig nahm sie den Kessel vom Feuer und ließ den Sud
abkühlen. Danach ging sie mit dem Kessel in die Höhle, um den Drachen
ihre Medizin zu verabreichen. Aufgrund der Anfälligkeit für die
Krankheit der Drachen, hatte sich Solembum geweigert die Drachenhöhle zu
betreten.
Angela gab ein mitfühlendes Lächeln, als sie von drei blutunterlaufenen
Augenpaaren angeblickt wurde. Zügig füllte die Kräuterhexe eine Phiole
mit der flüssigen Substanz und träufelte sie jedem Drachen auf die
Zunge. Angewidert verzogen die Drachen ihre Gesichter, als sie den
grauenhaften Geschmack des Heilmittels erlebten.
>>Danke, Angela.<< sprach Saphira anschließend.
„Bedankt euch nicht zu früh!“ antwortete Angela, während sie Vanyali
untersuchte. „Bevor das Heilmittel anschlägt, wird die Krankheit bereits
ihren Höhepunkt erreicht haben, doch danach wird sie rasch abklingen.“
Und die erfahrene Kräuterhexe behielt Recht, denn bereits am zweiten Tag
wurden die Kopfschmerzen so stark, das die Drachen kaum mehr einen
klaren Gedanken fassen konnten. Desgleichen hatten sie große Mühe ihre
schmerzenden Glieder bewegen zu können und durch ihre Bewegungen derart
eingeschränkt, musste Angela den Drachen dabei helfen ihre Mäuler zu
öffnen, um ihnen das Heilmittel einflößen zu können, was vor allem bei
Saphira und Eragon aufgrund ihrer Größe besonders anstrengend war.
Nachdem Angela die Drachen versorgt hatte, stattete sie dem
„Möchtegern-Dorf“ einen weiteren Besuch ab. Diesmal allerdings hielt sie
sich verborgen und beobachtete die Siedlung aus sicherer Entfernung. Zu
ihrer Beunruhigung stellte es sich heraus, dass nur knapp die Hälfte der
Leute den gepanschten Eintopf zu sich genommen hatten, da eine ganze
Meute rund um den Kochkessel versammelt war.
Angela schnappte auf, dass der Koch wegen Giftmischerei angeklagt wurde
und dieser sich vehement mit den Worten verteidigte, auf eine
heimtückische Hexe hereingefallen zu sein.
Aus diesem Grund hielt es Angela für einen guten Plan weiterhin außer
Sichtweite zu bleiben, was allerdings bedeutete, dass sie nur einen sehr
begrenzten Blick auf die Siedlung hatte. Von ihrer Position aus konnte
sie aber erkennen, dass ungefähr zwanzig Mann mit leichten Schwertern
und ordinären Schilden ausgerüstet wurden.
Keiner dieser Leute machte den Eindruck jemals im Krieg gekämpft zu
haben. Angela konnte sogar sehen, wie einem Mann die Waffe zu Boden
fiel, bei einem ungeschickten Versuch es in die Schwertscheide zu
schieben. Es schien sehr unwahrscheinlich, dass es in der Siedlung
überhaupt fähige Schwertkämpfer gab, geschweige denn jemand Kenntnisse
darin hatte, wie man mit einem Drachen fertig wird. Doch ganz gleich ob
sie nun erfahren im Kampf waren, oder nicht: eine Vielzahl von Hieb und
Stichverletzungen, konnte für einen kranken und geschwächten Drachen
absolut lebensgefährlich sein. Angela musste alles nur Erdenkliche tun,
um die liebenswerte Drachenfamilie zu schützen.
Und so verließ sie ihr Versteck und zog sich in die Sicherheit der
Wälder zurück. Die Tatsache, dass die Drachenhöhle von den Siedlern noch
nicht ausfindig gemacht wurde, gab Angela einen schwachen Trost, jedoch
dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie die Höhle finden würden.
---
Vom Flussufer aus angefangen, wo Johann die Drachen zum allerersten Mal
erblickte, weitete der zusammen gewürfelte Haufen ihre Suche aus,
allerdings hielt sich ihr Enthusiasmus in Grenzen.
„Wie werden wir gegen die Drachen vorgehen? Gibt es überhaupt
irgendeinen Plan?“
„Ich habe mich um meine Familie zu kümmern und der Gedanke von einem
Drachen in nur einem Bissen verschlungen zu werden, erzeugt bei mir
nicht gerade Begeisterungsstürme.“ sprach ein anderer Mann.
„Außerdem spucken sie Feuer!”
„Das reicht jetzt!” rief Olav. Er war derjenige, der die Gruppe anführte
und sich zu Beginn sicher war, nur die fähigsten Männer der Siedlung für
dieses Unternehmen ausgewählt zu haben, jedoch beschlich ihm inzwischen
das Gefühl, sich getäuscht zu haben. „Ich habe eine ganze Menge von den
Zwergen gelernt. Wenn wir als erstes ihre Flügel attackieren, werden sie
nicht mehr in der Lage sein zu fliegen. Danach nehmen wir uns ihre
Achselhöhlen vor, da ihre Schuppen dort am schwächsten sind.“
„Aber um das zu schaffen, müssen wir doch nah genug an sie heran
kommen.“
„Wenn wir schnell genug handeln, können sie uns unmöglich alle auf
einmal angreifen. Wir werden ausschwärmen und versuchen sie schnellstens
zu überwältigen. Vielleicht fügen wir ihnen dabei genug Verletzungen zu,
so das sie in uns einen gefährlichen Gegner sehen und Reißaus nehmen.“
„Mir gefällt das auch nicht, aber wenn wir in den Städten keine Steuern
mehr zahlen wollen, müssen wir da jetzt durch.“ sprach ein anderer.
„Genau!“ sagte Olav. „Da dies nun geklärt ist, können wir ja
weiterziehen.”
---
„Ich komme leider mit schlechteren Nachrichten.”
Eragon und Saphira blickten die Kräuterhexe an, während ihre Tochter
zwischen ihnen lag und fest schlief.
„Ich habe dieser Siedlung einen weiteren Besuch abgestattet und
herausgefunden, dass zwanzig bewaffnete Männer ausgerückt sind um eure
Höhle zu finden.“
Beide Drachen stießen ein tiefes Knurren aus, welches sich unweigerlich
in einen Husten verwandelte. Angela wartete ab, bis sich die Drachen von
ihrer Hustenattacke erholt hatten und fuhr fort: „So wie es ausgesehen
hat, schien keiner von ihnen im Umgang mit Schwert und Schild bewandert
zu sein. Ich glaube sogar, dass einige von ihnen noch nie zuvor ein
Schwert in den Händen gehalten haben. Aber trotzdem seit ihr drei
momentan nicht in der Lage, einen Angriff von 20 Mann standzuhalten.
Murtagh und Dorn werde ich aufgrund der Entfernung zu den Ruinen von
Carvahall nicht rechtzeitig erreichen können. Ich hatte sie
fortgeschickt, damit sich nicht auch noch Dorn mit dem Krankheitserreger
ansteckt.“
>>Was geschieht nun?<< fragte Eragon. >>Wir können uns kaum rühren und
wahrscheinlich werden wir auch noch die nächsten Tage außer Gefecht
sein.<<
„Ich werde auf euch Acht geben und beschützen, bis ihr wieder gesund
seid. Ich bin nicht unbewaffnet, wie ihr wisst.“
>>Danke, Angela. Du hast mehr für uns getan, als wir jemals zurückzahlen
können.<< sprach Saphira.
„Oh, ich bitte euch! Übertreibt nicht.“ lachte Angela und weckte dabei
die junge Drachin auf. „Nun, ich denke, es wird wieder Zeit für eure
Medizin.“
Vanyali wich bei dem Gedanken zurück, wieder dieses ekelige Zeug
schlucken zu müssen.
Angela träufelte währenddessen die Medizin auf Saphiras Drachenzunge.
Der bittere Geschmack ließ sie zusammenfahren, so dass Angela ihre
Spucke ins Gesicht bekam.
>>Tut mir leid.<<
„Nun, ich kann es euch wohl kaum übel nehmen. Nichts schmeckt
unangenehmer als diese Krautmischung, aber haltet bitte still.“
Nachdem sie bei Eragon fertig war, wanderte Angela zu Vanyali hinüber.
Die kleine Drachin wimmerte, als sie von dem Geschmack geradezu
überwältigt wurde und begann zu spucken.
„Drachen! Immer wenn sie krank werden, hinterlassen sie eine solche
Schweinerei!“ murrte sie. „Und vor allem habt ihr alle drei mal wieder
ein ordentliches Bad nötig. Das werdet ihr als erstes tun, sobald ihr
wieder gesund seid.“
---
Den ganzen Tag lang waren sie auf der Suche der Drachenbehausung, bisher
jedoch ohne Erfolg. Zwischenzeitlich entdeckten sie drei größere Höhlen,
in denen sie jedoch nur Fledermäuse und in einer anderen einen
irritierten Bären vorfanden, aber keine Drachen. Wie konnten nur so
große Geschöpfe so schwer zu finden sein?
Sie schlugen ihr Nachtlager an einer engen Waldlichtung auf und Worte
des Unmutes machten sich breit. Olav, der etwas Abseits der Gruppe saß,
hatte schließlich die Faxen dicke.
„Werdet ihr jetzt wohl still sein!“ rief er und sogleich verfiel die
Gruppe in Schweigen. „Ihr wisst alle ganz genau, weswegen wir hier
draußen sind! Ihr könnt alle gerne aufgeben und wieder zurück in die
Städte ziehen, wenn ihr euch von der Obrigkeit ausnehmen lassen wollt.“
„Wir wissen es, Olav. Aber du kannst trotzdem nicht von uns erwarten,
dass wir besonders glücklich darüber sind, diesen Weg eingeschlagen zu
haben. Das Klima im Buckel ist rau, der Schnee weicht unsere Kleider auf
und die Nächte sind bitterkalt.“
„Glaubt ihr, das wüsste ich nicht?! Meine Frau ist hier gestorben.“ Olav
seufzte und senkte seinen Blick. „Ich wünschte, ich hätte etwas für sie
tun können, aber hier im Buckel war ihre Krankheit nicht heilbar.“
Olav wurde still und die Männer stellten ihm keine weiteren Fragen mehr.
Der Mann dachte daran zurück, wie sie ihre Reise antraten. Damals, als
er und seine Frau Frenja sich dazu entschlossen hatten, eine Gruppe von
Siedlern zu leiten, die der hohen Steuern überdrüssig geworden waren,
war seine Frau noch völlig Gesund. Während der beschwerlichen Reise
erkrankte seine Frau jedoch an einem schweren Fieber, von dem sie sich
nicht wieder erholte. Die zwei Heiler, welche die Gruppe begleiteten,
versuchten der Frau zu helfen so gut sie konnten, jedoch vergeblich.
„Es wird Nacht.“ sprach Olav schließlich. „Ruht euch aus. Wir werden die
Suche morgen früh fortsetzen.“
Die Männer nickten zustimmend und begaben sich zu ihr Nachtlager.
---
Angela erwachte am nächsten Morgen viel später als gewollt. Als sie
zügig ihr Nachtlager abbrach, stellte sie fest dass es während der Nacht
durchgeschneit hatte. Der Schnee war noch relativ frisch und die große
Anzahl an Stiefelabdrücken fiel ihr sofort ins Auge.
>>Die Männer aus der Siedlung!<< dachte sie.
Erschrocken ließ Angela ihren Rucksack fallen und als sie gehetzt auf
die Höhle zu lief, hörte sie auch schon die Stimmen der Leute aus dem
Inneren der Höhle. Ihr Herz blieb beinahe stehen, als sie das
unverfälschte Geräusch von gezückten Schwertern hörte.
Saphira und Eragon blickten die Eindringlinge hilflos an.
>>Lasst uns in Frieden…<< rief Saphira für alle hörbar.
Die Männer rührten sich nicht, begannen aber miteinander zu diskutieren.
„Sie sehen krank aus…“ sprach einer von ihnen.
>>Wir sind es.<< antwortete Eragon.
„Müssen wir das wirklich tun?“ fragte ein anderer Mann, als er sich die
Drachen in ihrem jämmerlichen Zustand betrachtete.
Ohne Rücksicht zwängte sich Olav an seinen Männern vorbei und stoppte
vor den Drachen.
>>Wenn ihr uns tötet, wird Nasuada davon erfahren und zusammen mit den
Elfen eine Streitmacht aussenden.<<
Doch bei Olav stieß er auf taube Ohren.
„Tut mir Leid, Drache. Aber dies ist der einzige Weg um unsere Siedlung
zu retten.“
Eragon und Saphiras Blicke waren voller Verzweiflung. Doch gerade als
Olav seine Leute dazu auffordern wollte anzugreifen, schallte ein lautes
„Halt!“ durch die Höhle.
Olav blickte zum Höhleneingang und zur großen Erleichterung der Drachen,
stand dort Angela mit gezücktem Kurzschwert.
„Die Kräuterkennerin?!” fragte Olav. „Was habt Ihr hier verloren?“
Mit bloßem Zorn in den Augen, machte Angela einen Schritt vorwärts und
drohte mit ihrer Waffe.
„Wie könnt ihr es nur wagen!“
Eingeschüchtert durch ihren zornigen Blick, wandten sich einige der
Männer von ihr ab.
„Ihr habt keinerlei Vorstellungen über die Bedeutsamkeit dieser Drachen,
oder was sie für euch alle geleistet haben. Wenn ihr es wüsstet, dann
währet ihr nicht hergekommen, um sie von ihrem Land zu vertreiben.“
Olav senkte etwas seine Waffe.
„Ah, so ist das! Ihr steckt mit diesen Drachen unter einer Decke!“ Damit
wurde ihm auch alles weitere klar. „Dann seit IHR es auch gewesen, die
versucht hat uns alle zu vergiften, habe ich Recht?“
Angelas starrer Blick wandelte sich zu einem hinterhältigen Lächeln.
„Nur um Saphira und ihrer Familie etwas Zeit zu verschaffen, aber keine
Sorge: Eure Leute werden sich wieder erholen.“
„Diese Drachen haben Namen?“ rutschte es einem der Männer heraus und im
Nu war Angela bei ihm und packte ihn am Kragen seines Wamses.
„Natürlich haben sie Namen!“ Angela lief an Olav vorbei und legte ihre
Hand auf Eragons Stirn. „Drachen sind keine wilden Bestien, wie ihr es
vielleicht denkt.“
„Das hier ist Eragon!“ Sprach sie und ließ somit sämtliche Geheimnisse
um diesen Drachen fallen. „Der ehemalige Drachenreiter, welcher
Galbatorix bezwungen hat. Nun aber durch mächtige Magie in den Drachen
verwandelt, den ihr hier vor euch seht.“ Dann legte sie ihre Hand auf
Saphiras Stirn. „Saphira war Eragons Drache und bis vor kurzem noch die
letzte lebende Drachendame in Alagaesia. Jetzt ist sie Eragons Partnerin
und Mutter von Vanyali. Tötet ihr diese Drachen, macht ihr euch für alle
Zeiten schuldig, das Drachenvolk ausgerottet zu haben.“
Das Drachenmädchen wurde von Angelas Geschrei geweckt. Nun starte sie
verunsichert die Vielzahl fremder Zweibeiner an, die um sie
herumstanden.
Die Männer hinter Olav begannen etwas Unverständliches zu murmeln.
Angela grinste, als ihre Worte die Herzen der Männer trafen.
„Deine Worte könnten durchaus wahr sein, aber Drachen und Menschen
können nicht in unmittelbarer Nähe zusammenleben. Es würden zwangsläufig
Konflikte entstehen, alleine was Nahrung betrifft.“
„Habt ihr jemals versucht mit Eragon und Saphira zu sprechen, ohne sie
zu bedrohen?“ fragte Angela. Olav wandte seinen Blick ab. Sie hatte
Recht, Olav und die anderen hatten nie versucht mit den Drachen
vernünftig zu reden. Aber dafür war es jetzt zu spät. Ihm war klar, dass
die Drachen ihm nun nicht mehr zuhören würden, nachdem er versucht hatte
nach ihr Leben zu trachten. Olav blickte seine Männer an, doch keiner
von ihnen machte noch den Eindruck, die Drachen töten zu wollen,
tatsächlich rannen dem jüngsten Mitglied der Gruppe die Tränen über das
Gesicht.
„Offenbar habe ich Eure Begleiter unlängst überzeugen können. Was muß
ich erreichen, um euch zu bewegen, diesen Ort, den die Drachen zu ihrer
Heimat erwählt haben, zu verlassen?“
Olav dachte eine Minute nach. Das Land, in der die Drachen lebten, war
möglicherweise der sicherste Ort im ganzen Buckel. Es konnte noch Monate
dauern, bis die Siedler einen vergleichbareren Zufluchtsort finden
würden. Eine Rückkehr in die Städte und Dörfer des Reiches, kam nicht in
Frage.
Während es in der Höhle still wurde, kroch Vanyali zwischen ihren Eltern
hervor. Ihre Neugier hatte die kleine Drachin gepackt und sie näherte
sich Angelas Position, um besser sehen zu können.
„Wir können nicht weiterziehen.“ sprach Olav. „Es würde zu viel Zeit in
Anspruch nehmen und uns noch mehr Opfer kosten, als es schon jetzt der
Fall ist. Zu Hause würden wir ausgenommen werden. Die Steuern sind zu
harsch und genau deswegen sind wir ausgewandert.“
„Es scheint, dass Ihr mir keine Wahl lasst. Ihr habt mir nur die Gründe
genannt, um an diesem Ort festzuhalten, nicht aber um ihn aufzugeben.“
Olav drehte sich von ihr weg und begann vor den Drachen nervös auf und
ab zu wandern. Er war hin und her gerissen und wusste nicht, was er tun
sollte.
Doch dann trat das Unerwartete ein! Während Olav sich auf Angela zu
bewegte, stolperte er plötzlich über einen Stein und fiel nach vorne.
Beim Versuch den Fall mit seinen Armen abzufangen, ließ er allerdings
das Schwert nicht los, so dass sich dessen Klinge in Vanyalis Flanke
bohrte.
Vanyali schrie vor Schmerz auf. Als Olav bemerkte, was passiert war, zog
er das Schwert hastig aus ihrer Seite heraus, was für Vanyali noch
schmerzhafter war. Erbost schrie Angela auf und ebenso seine Männer, da
es für sie danach aussah, als habe Olav vorsätzlich versucht die kleine
Drachin anzugreifen. Jedoch hatte niemand gesehen, dass Olav in
Wirklichkeit stolperte.
Die Höhle erbebte regelrecht, als das wilde Gebrüll von Eragon und
Saphira ertönte. Angetrieben von ihren Urinstinkten, richteten sich die
beiden Drachen trotz ihrer Krankheit auf.
Olav erbleichte, als sich die Drachen als nächstes auf ihn stürzten.
Bevor sich die Klauen und Zähne der Drachen in das Fleisch des Mannes
gruben und seinem Leben somit ein Ende setzte, waren galten Olavs letzte
Gedanken, seiner verstorbenen Frau.
Olavs Begleiter wurden sogleich von Panik ergriffen und versuchten zu
fliehen, doch Angela, die sich sofort um Vanyali kümmerte, rief den zu
Leuten zu sofort stehen zu bleiben, da sie ansonsten von Saphira und
Eragon getötet würden. Eine offensichtliche Lüge, da beide Dracheneltern
bereits vor Erschöpfung wieder zusammenbrachen.
Die Männer standen still und starrten auf den leblosen Körper von Olav.
Saphira versuchte das weinende Drachenmädchen zu trösten und ihre Wunde
lecken, jedoch hielt Angela sie davon ab.
„Ich muß sie zuerst untersuchen. Falls die Verletzung ernster ist, werde
ich weitere Schritte in Angriff nehmen müssen.“
Saphira ließ nur widerwillig von ihrer Tochter ab und machte für Angela
platz. Die Kräuterhexe hielt Vanyali fest, was ein schwieriges
Unterfangen war, da das Drachenmädchen sehr unruhig war und zappelte.
„Höre mit zu, Vanyali. Ich kann dir helfen, aber du darfst dich nicht
bewegen. Hast du mich verstanden?“ sprach Angela in einem ruhigen
Tonfall.
Wimmernd nickte Vanyali und hielt still.
Vorsichtig inspizierte Angela die Wunde und übte etwas Druck auf sie
aus. Das Drachenmädchen zitterte vor Schmerz, regte sich aber ansonsten
nicht.
Die Wunde war in der Tat tief, doch glücklicherweise blutete sie nicht
stark, was ein Zeichen dafür war, dass die inneren Organe keinen Schaden
davongetragen hatten. Da das Schwert scharf war und eine recht saubere
Wunde hinterließ, konnte diese vollständig verheilen, solange sie sich
nicht infiziert. Für einen solchen Fall hatte Angela in ihrem Rucksack
ein Mittel zur Reinigung von Wunden.
Angela ging hinaus um schnell ihren Rucksack zu holen, den sie vor der
Höhle liegengelassen hatte. Als sie zurückkehrte erwischte sie Saphira
dabei, wie sie erneut versuchte Vanyalis Verletzung zu lecken.
„Mach das nicht!“ rief sie. „Du bist krank und dein Speichel könnte die
Wunde entzünden!“
Saphira zog sich abermals zurück und war genervt, dass sie sich noch
nicht um ihre Tochter kümmern durfte. Angela setzte sich neben Vanyali
und packte ein großes Tuch aus, das sie zugleich mit einem Messer
zerschnitt. Anschließend holte sie eine kleine Flasche mit einer gelben
Flüssigkeit hervor.
Sorgfältig verteilte sie etwas davon auf dem Tuch und hielt es
anschließend vor Vanyali hin.
„Das wird jetzt ziemlich brennen, aber es ist absolut notwendig. Bitte
versuche dich nicht zu bewegen.”
Vanyali zischte, als Angela ihr das Tuch auf die Wunde drückte und
begann zu strampeln.
„Ihr könnt sie nun trösten.“ sprach Angela leise und trat beiseite.
Saphira begann sofort ihre Tochter mit der Schnauze zu berühren und
langsam beruhigte sich Vanyali. Eragon tat genau dasselbe und sogleich
hörte ihr Zappeln komplett auf.
Angela näherte sich Olavs Leiche und wies zwei seiner Männer an, den
leblosen Körper fort zu schaffen.
„Ihr werdet nun zu Euresgleichen zurückkehren und dort auf mich warten.“
sprach sie zu den Leuten, die nach wie vor in der Höhle anwesend waren
und es nicht wagten sich zu rühren. „Wenn man euch fragt, was passiert
ist, dann werdet ihr ihnen die Wahrheit sagen. Hetzt sie nicht gegen
diese Drachen auf, denn sie taten nur das, was ein jeder von euch getan
hätte, wenn irgendwer euer Kind verletzt.“
Die Männer nickten und begannen sich auf dem Weg zu machen. Einige von
ihnen traten sogar vor und baten die Drachen um Verzeihung.
Als alle fort waren, untersuchte Angela die kleine Drachin erneut. Diese
saß völlig ruhig zwischen ihren Eltern und blickte Angela an. Es schien
ihr verhältnismäßig gut zu gehen, jedoch streckte sie sich nicht aus, da
es in ihrer Seite immer noch etwas schmerzte.
„Das sollte nun gut ausheilen können. Es wird vielleicht noch eine Weile
weh tun, aber ich bin mir sicher, das es schon etwas besser ist als
vorher.“ Angela erwartete ein Kopfnicken und war ziemlich überrascht,
als eine lieblich klingende Stimme ihn ihrem Kopf ertönte.
>>Ja!<<
Eragon und Saphira grollten glücklich, als sie Vanyali sprechen hörten.
„Du sprichst!” sagte Angela erstaunt. „Es scheint mir, als haben sich
eure Gespräche am Ende doch ausgezahlt.“
Die Dracheneltern begannen mit ihrem Kind fröhlich zu schwadronieren und
vergaßen dabei ihre eigene Krankheit.
„Da ihr nun anderweitig beschäftigt seid und ihr eure Medizin erst in
einigen Stunden bekommt, werde ich diese Siedler noch einmal besuchen.“
>>Danke, Angela.<< sprach Vanyali.
„Nichts zu danken, Vanyali.” lachte Angela und ging hinaus.
Kapitel 33
Dunkelheit! Das war das Einzige, was
ihm umgab und eine Stille, wie auf einem Totenacker. So weit hatte ihn
der schwarze König in die Tiefe seines Bewusstseins zurückgetrieben und
die geradezu hungrige Dunkelheit schien ihn immer mehr und mehr zu
verschlingen. Wie lange würde es dauern, bis er irgendwann von ihr
völlig verzehrt werden würde und nichts mehr von ihm übrig blieb?
Sein Widerstand, sich gegen die grausame Magie entgegenzustellen, schien
gebrochen. Galbatorix war einfach zu mächtig.
"Hàkon..." flüsterte eine geheimnisvolle weibliche Stimme und der Junge
erschrak. "Habe keine Furcht!"
Hatte er diese Stimme nicht schon einmal gehört, oder war es nur eine
Wahnvorstellung, ausgelöst durch diese hoffnungslose Gefangenschaft im
eigenen Körper?
"Ich bin nicht hier, um dir etwas Böses anzutun!" Wieder, diese Stimme!
Sie war eindeutig weiblich und klang kraftvoll, aber gleichzeitig
einfühlsam.
"Verschwinde, wer immer du auch bist, Dämon!" rief Hàkon in die
Dunkelheit.
"Dämon?!" die Anwesenheit klang spürbar gekränkt. "Das letzte Geschöpf,
dass mich so genannt hat, erlebte einen wahrlich heißen Tag!"
"Wer bist du?" fragte Hàkon. "Falls du kein Werk meiner Einbildung bist,
dann zeige dich!"
"Menschen... Ich vergaß, dass ihr immer so schwer zu überzeugen seit!"
seufzte die Stimme. "Könnt ihr nicht mal mit eurem Herzen denken? Immer
wollt ihr etwas fürs Auge haben... "
Zu Hàkons Verwunderung passierte mit einem mal etwas Merkwürdiges. Vor
ihm bildete sich ein dichter Nebel, der immer größer und größer wurde.
Langsam schien der Dunst eine Gestalt anzunehmen und die Umrisse eines
Drachens waren darin zu erkennen.
Als sich der Nebelschleier lichtete, trat eine dunkelgrüne Drachin aus
ihm hervor und wehte ihn mit einem lässigen Flügelschlag hinfort. Sie
war überaus schön, recht schlank gebaut, zugleich jedoch kräftig und
ihre Hörner waren gewunden, wie das Geweih einer Antilope.
"Du bist ein Drache?!"
"Wie hast du das denn nur erkannt?" grinste sie und blickte ihn mit
ihren goldenen Augen an, die pure Weisheit ausstrahlten. "Aber nicht
ganz! Ich bin nur der Geist einer wilden Drachendame, die vor hunderten
von Jahren gelebt hat. Du kannst mich Flare nennen."
"Willst du dich an meinem Leid ergötzen, oder bist du der Bote, der mich
in das Reich der Toten bringt?"
"Weder noch, junger Hàkon!" antwortete sie und legte den Kopf etwas
schief. "Ich bin hier um zu helfen, denn es gibt eine Möglichkeit deine
Seele aus dieser Gefangenschaft zu erlösen."
"Ist das wahr?" fragte Hàkon und zum ersten Mal, nach langer Zeit keimte
wieder ein Funken Hoffnung in ihm auf. "Du kannst mich wirklich
befreien?"
"Es wird nicht einfach sein, denn Galbatorix' verbotener Zauber
übersteigt selbst meine magischen Fähigkeiten!" antwortete Flare und
legte eine Klaue auf Hàkons Fesseln. "Es wäre mir nur möglich, deine
Ketten zu sprengen, wenn Galbatorix am schwächsten ist. Dies kommt
allerdings nicht ohne einen Preis und du musst bereit sein, ein großes
Opfer dafür zu bringen."
"Flare! Was immer auch nötig ist, um dieser Vorhölle zu entkommen, bin
ich bereit auf mich zu nehmen." sprach Hàkon ohne zu zögern.
Plötzlich rumpelte es, wie bei einem Gewitter und Flare blickte ernst.
"Das ist Galbatorix." sagte sie und begann sich aufzulösen. "Ich muß
jetzt gehen."
"Warte, gehe noch nicht!" sprach Hàkon. "Ich habe noch so viele Fragen!"
"Es tut mir leid, Hàkon. Wenn ich länger bleibe, bemerkt Galbatorix das
ich hier bin und wird es mir beim nächsten Mal unmöglich machen, erneut
zu dir durchzudringen." antwortete Flare und verschwand schließlich
vollkommen. "Aber ich verspreche dir, in deiner Nähe zu bleiben. Denke
immer daran... du bist nicht alleine!"
---
Nach der bedrohlichen Begegnung mit den Siedlern, was um Haaresbreite in
einer Tragödie ausuferte, hatten sich die Drachen, dank Angelas Medizin
wieder vollständig erholt und selbst Vanyalis Verletzung war indessen
gut verheilt.
Als Murtagh und Dorn wieder zurückkehrten und von Eragon erfuhren, was
in ihrer Abwesenheit geschah, war Murtagh dermaßen außer sich, dass
Eragon ihn nur mit allergrößter Mühe davon abbringen konnte, die
Siedlung dem Erdboden gleich zu machen. Eragon erläuterte ihm, dass die
Siedler ihre Lektion gelernt hätten und keine Gefahr mehr von ihnen
ausgehen würde. Murtagh lenkte nur sehr widerwillig ein, wobei er aber
seinem Bruder deutlich klar machte, den Siedlern, welche sich sogar noch
illegal im Buckel aufhielten, nicht über den Weg zu trauen.
Es herrschte ein angenehm mildes Klima im Buckel und Eragon beobachtete
seine Tochter dabei, wie sie fröhlich auf dem Waldboden herumtollte.
"Sie ist heute ziemlich munter, nicht wahr?" fragte Murtagh und
streichelte ihr über den Kopf.
Vanyali stieß ein verspieltes Knurren aus und versuchte nach Murtaghs
Hand zu schnappen.
>>Ja, ich bin froh das es ihr wieder gut geht.<< murmelte Eragon. >>Wenn
ich daran denke, dass sie beinahe...<<
"Ich, weiß." seufzte Murtagh. "Wenn nur Dorn und ich in der Nähe gewesen
wären."
>>Dorn wäre ebenso krank geworden, wie wir.<< sprach Eragon. >>Saphira
und ich haben sie bis zu diesem Zeitpunkt immer gut beschützen können,
aber wir sind nur zwei Drachen.<<
"Mach dir keine Sorgen." sagte Murtagh entschlossen. "Ich werde bis der
Tod an meiner Tür klopft, an deiner Seite kämpfen."
>>Ich hoffe, dass es niemals dazu kommen wird.<< grummelte Eragon.
>>Wie fühlt es sich an?<< fragte plötzlich der rote Drache.
>>Was meinst du?<< fragte Eragon.
>>Wie fühlt es sich an, eine Familie zu haben?<<
>>Es ist beinahe so, als würde dein Herz in Flammen stehen.<< sprach
Eragon glücklich. >>Und du wünschst dir, dass diese Flammen niemals
erlöschen würden.<<
>>Oh!<< grummelte Dorn und senkte wieder sein Haupt.
>>Verliere nicht die Hoffnung, mein Freund.<< tröstete Eragon. >>Die
Zeit wird kommen, an der auch du deine Partnerin finden wirst.<<
>>Ich habe nie behauptet, dass ich die Hoffnung verloren habe.<< sprach
Dorn. >>Es ist für mich nur noch nicht an der Zeit gewesen.<<
>>Habe Geduld. Es wird sich auch für dich alles zum Besten wenden.<<
>>Du sprichst weise Worte.<< brummte Dorn. >>Bist du sicher, dass du mit
dem kleinen Holzkopf verwandt bist?<<
Dorn blickte dabei zu Murtagh hinüber, welcher ihm einen grimmigen Blick
zurück gab.
"Wir sollten uns viel mehr Gedanken darüber machen, was wir als nächstes
tun." entgegnete Murtagh. "Warten wir darauf, dass Galbatorix uns
angreift, oder werden wir selbst den ersten Schritt gegen ihn
unternehmen?"
>>Bevor wir irgendwelche Schritte gegen Galbatorix beschließen, hat
Vanyalis Schutz Vorrang.<< antwortete Eragon. >>Saphira und ich sind
deshalb zu der Entscheidung gekommen, dass Ellesmera der sicherste Ort
für unsere Tochter ist.<<
"Ihr wollt zu den Elfen gehen?"
>>Ich weiß um deine Abneigung im Hinblick auf die Elfen, aber würdet ihr
uns trotzdem begleiten?<<
"Darauf kannst du zählen. Ich will verdammt sein, wenn ich es zulasse,
dass unserer Familie etwas passiert."
>>Wir werden euch zur Seite stehen!<< schloss sich nun auch Dorn an.
>>Auch wenn nicht alle Elfen uns in ihrem Reich willkommen heißen
werden. Obendrein könnte Galbatorix gegen uns losschlagen, wenn wir es
am aller wenigsten erwarten.<<
>>Danke, ihr Beiden!<< lächelte Eragon.
"Ab wann brechen wir auf?" frage Murtagh.
>>Sobald wie möglich.<<
Kapitel 34
“Sie sind uns entkommen!” fluchte
Galbatorix, als er feststellen musste, dass ihm die Drachen bereits
entwischt waren. “Ich verliere zu viel Zeit!“
“Fürst Hàkon! Ich habe euch etwas sehr wichtiges mitzuteilen!” rief
eine aufgeregte Stimme. Es handelte sich um Bramen, einem ehemaligen
Offizier der königlichen Leibgarde, der nun nach seiner Zeit als
Söldner wiederum im Dienste Galbatorix stand.
“Ich komme gerade aus der Siedlung und einer der Leute teilte uns
mit, dass es kürzlich einen Vorfall mit den Drachen gegeben hat.“
„Ja, ich weiß.“ antwortete Galbatorix desinteressiert. „Damit
erzählst du mir nichts Neues.“
„Aber, er sagte außerdem, dass der blaue männliche Drache Eragon
genannt wurde.“
„Bist du sicher?“ fragte Galbatorix ungläubig und drehte sich zu ihm
um.
„Absolut, mein Herr und es scheint so, als wäre der blaue Drache der
eigentliche Vater des Jungdrachen und nicht Dorn.“
Galbatorix dachte nach, doch er konnte sich nicht daran erinnern
jemals etwas über eine so mächtige Formwandler-Magie gelesen zu
haben. Selbst die Elfen wären nicht in der Lage gewesen, sich
vollständig in einen Drachen zu transformieren.
„Ich danke dir, für diese Nachricht.“ sprach Galbatorix und lächelte
geheimnisvoll. „Mit dieser neuen Erkenntnis tun sich in der Tat
viele neue Möglichkeiten auf.“
„Aber wir wissen nicht wohin sie gegangen sind.“ warf Bramen ein.
>>Wenn sie den Schutz des Buckels verlassen haben, könnte es nur
noch einen einzigen Ort in Alagaesia geben, an denen sie im Glauben
sind, vor mir sicher zu sein.<< dachte Galbatorix.
„Bramen!“ sprach Galbatorix schließlich. „Gehe hinunter in die
Siedlung und kaufe Vorräte ein. Wir werden uns auf eine längere
Reise begeben.“
„Ja, Herr!“
---
Ohne jegliche Vorkommnisse erreichten Eragon, Saphira, Murtagh und
Dorn die ersten Ausläufer von Du Weldenvarden. Nicht mehr lange und
sie würden binnen kurzem auf die Grenzposten der Elfen treffen.
Sie entschieden sich schließlich an einem kleinen See ihr Nachtlager
aufzuschlagen. Abgekühlt nach einem ersten Bad im klaren See und
müde von dem langen Flug ließen sich Eragon und Saphira nieder,
während Murtagh und Dorn zur Jagd aufbrachen. Auch wenn sie sich
immer wieder abwechselten, war Saphira froh ihre Tochter nicht
länger in ihrer Schnauze herumtragen zu müssen.
Vanyali befand sich währenddessen in Plauderlaune und bombardierte
ihre Eltern mit allen möglichen Fragen, die nur ein Kind stellen
konnte.
>>Wann sind wir denn endlich da?<< fragte Vanyali nun schon zum
gefühlten 1000. Mal. Es war schließlich auch ihre aller erste Reise.
>>Bald, Lili.<< antwortete Eragon und seufzte. >>Es ist nicht mehr
so weit. Wir werden morgen noch einen weiteren Tag lang unterwegs
sein und dann sind wir in Ellesmera.<<
>>Ich habe noch mehr Fragen!<< sprach sie und hüpfte freudig auf und
ab. >>Wo hat Onkel Dorn seine Narbe her?<<
>>Das war eine Verletzung aus dem Krieg.<< antwortete Saphira.
>>Krieg?<<
>>Das ist eine sehr lange Geschichte, Liebes.<< sprach Saphira.
>>Wir kämpften vor vielen Jahren gegen einen bösen König.<<
>>Erzählt mir doch bitte davon!<< rief Vanyali wissbegierig.
>>Na, gut. Ich glaube, es ist ohnehin an der Zeit, dass du alles
erfährst.<< sprach Eragon und auch Saphira nickte zustimmend. >>Wir
erzählen dir die Geschichte, wie wir die Tyrannei in Alagaesia
beendet haben.<<
>>Was ist Tyrannei?<<
>>Tyrannei ist eine Schreckensherrschaft, Liebling.<< antwortete
Saphira. >>Galbatorix war ein sehr gefährlicher Mensch und ein
Drachenreiter. Es ging ihm nur um die gewalttätige und
unverantwortliche Ausübung seiner Macht und die Erfüllung seiner
eigenen Begierden.<<
>>Er war ein Reiter wie du, Vater?<<
>>Ja und nein.<< erklärte Eragon. >>In jungen Jahren muß Galbatorix
einst ein fähiger Drachenreiter gewesen sein, der besonders im
Umgang mit Magie begabt war. Aber aufgrund einer Leichtsinnigkeit
seinerseits, wurde sein eigentlicher Drache von Urgals getötet.
Galbatorix wurde durch diesen Verlust wahnsinnig und nachdem die
anderen Drachenreiter ihn einen neuen Drachen verwehrten, tötete er
einen jungen Reiter und band dessen Drachen mit Magie an sich. Bevor
Galbatorix den Thron erklomm, um sich selbst zum König zu ernennen,
schlossen sich Galbatorix mehrere Abtrünnige an, mit deren Hilfe er
beinahe alle anderen Reiter tötete und die Drachen an den Rand des
Aussterbens brachte.<<
>>Wie gemein! Wie konnte er nur so etwas tun?!<< Vanyali war
entsetzt.
>>Aus Rache.<< äußerte Eragon. >>Aber zum Teil trugen die Reiter an
ihrem Untergang auch eine gewisse Mitschuld. Galbatorix war noch
jung, als sein Drache starb und deswegen vermutlich stark
traumatisiert. Mit den richtigen Lehrern und guten Bezugspersonen,
wäre es möglicherweise alles gar nicht so weit gekommen. <<
>>Dies entschuldigt aber keinesfalls seine schrecklichen
Verbrechen!<< warf Saphira ein. >>Es sollte über ein Jahrhundert
dauern, bis seine Gewaltherrschaft durch deinen Vater und mir
beendet wurde. <<
>>Es war eine beinahe aussichtslose Schlacht, in der alle Völker
Alagaesias verwickelt waren. Vom Rücken deiner Mutter aus
betrachtet, war dies ein einziges Durcheinander aus Elfen, Zwerge,
Urgals und Menschen.<< erzähle Eragon weiter.
>>Wir stellten uns dem König schließlich zum Kampf.<< übernahm
Saphira die Geschichte. >>Ohne die Hilfe der Elduranri war
Galbatorix zu dem Zeitpunkt bereits erheblich geschwächt. Aber er
war immer noch ein Meister des Schwertkampfes und deinem Vater
überlegen. Ich hielt so gut es ging die Soldaten des Königs in
Schach, während dein Vater und Galbatorix verbissen miteinander
kämpften. Dein Onkel Murtagh und Dorn gerieten mit Shruikan
aneinander, worauf Dorn schwer verletzt wurde und dem Tode nahe war.
Als ich schließlich bemerkte, dass dein Vater im Begriff war zu
erschöpfen und immer mehr zurück wich, entschloss ich mich
einzugreifen, aber Galbatorix bemerkte mein Vorhaben und entsandte
einen Energieblitz, der mich töten sollte. Aber Shruikan warf sich
in letzter Sekunde vor mich und rettete mir das Leben.<<
>>Galbatorix‘ Drache tat das?<< frage das Drachenmädchen mit
erstaunten Augen. >>Aber war er denn nicht euer Feind?<<
>>Shruikan diente ihm ja nicht aus freiem Willen. Auch wenn er von
Galbatorix kontrolliert wurde, war er keinesfalls ein schlechter
Drache. Wenn auch nur für einen sehr kurzen Augenblick konnte er
sich von der Kontrolle des schwarzen Königs befreien. Er opferte
sein eigenes Leben, um mich zu schützen und gab uns damit die
entscheidende Gelegenheit Galbatorix zu bezwingen.<<
>>Als Galbatorix mit ansah, wie Shruikan vom Himmel fiel, schrie er
fassungslos auf.<< ergriff wieder Eragon das Wort. >>In diesem
Moment stieß ich mit dem Schwert nach ihm und trieb ihm die Klinge
durch den Panzer hindurch mitten in sein verdorbenes Herz.<<
>>Als Galbatorix‘ Leben erlosch, veränderte sich plötzlich alles.
Viele Schwüre und Zauber fielen von seinen Gefolgsleuten ab und
ergriffen in wilder Panik die Flucht. Wir hatten gewonnen und den
Frieden im Land wieder hergestellt!<<
>>Eine tolle Geschichte!<< erfreute sich Vanyali. >>Ich möchte noch
mehr hören!<<
>>Es gibt aus dieser Zeit noch so viel zu erzählen, Liebes.<<
lächelte Eragon und vernahm die Flügelschläge Dorns, der geradewegs
von der Jagd zurückkehrte. >>Aber heute Abend nicht mehr, außerdem
ist jetzt Essenszeit.<<
>>Wie schade…<<
---
Nach einem ausgiebigen Mahl diskutierten Eragon, Murtagh und Dorn
noch lange darüber, wie sie ohne Schwierigkeiten das Reich der Elfen
betreten könnten, da viele Elfen die Taten der beiden ehemaligen
Knechte des Königs noch immer nicht verziehen. Zwar war dieses
Problem nicht so groß, wie bei den Zwergen, aber es dürfte bei
einigen Elfen trotzdem noch ein gewisses diplomatisches Geschick
erfordern.
Saphira schloss sich der Besprechung nicht an und verbrachte
unterdessen die Zeit mit ihrer Tochter.
>>Mutter? Wie wußtest du, dass Vater dein Reiter sein würde?<<
fragte die kleine Drachin.
>>Es ist schwierig dieses Gefühl zu beschreiben, aber in dem Moment
als dein Vater mein Ei berührte, fühlte es sich einfach richtig an.
Tief in mir spürte ich, dass nur dein Vater für mich als Reiter in
Frage kam. Aber niemals hätte ich es mir jemals erträumen lassen,
dass ich mir mit meiner Wahl nicht nur meinen Reiter erwählt habe,
sondern auch noch gleichzeitig meinen Gefährten fürs Leben.<<
lächelte Saphira. >>Er hat sich immer rührend um mich gekümmert, als
ich noch so klein war, wie du. Er nahm mich mit auf seinen
Jagdausflügen, leistete mir Gesellschaft und gab mir Nahrung, bis
ich groß genug war, um selbst jagen zu gehen.<<
>>Wie bei mir.<<
>>Ganz richtig. Ich hatte deinen Vater damals schon sehr lieb
gehabt.<< nickte Saphira. >>Er will auch unter gar keinen Umständen
als Vater scheitern, oder dich enttäuschen.<<
>>Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Er hat bereits schon so
viel für mich getan.<<
>>Dann weißt du nun auch, warum meine Wahl vollkommen richtig war.<<
zwinkerte Saphira ihrer Tochter zu.
>>Ich hätte ihn bestimmt auch gewählt.<< nickte Vanyali und gähnte
anschließend kräftig. >>Werde ich irgendwann auch mal einen Reiter
haben?<<
>>Nein, Lili. Wilde Drachen binden sich nicht an einen Reiter. Außer
es entsteht eine korrupte Verbindung durch verbotene Magie. Dann
könnte auch mit einem wilden Drachen eine Vereinigung eingegangen
werden. Aber so etwas sollte niemals geschehen, denn für den wilden
Drachen ist das dann nichts anderes, als eine reine Knechtschaft, in
die der Drache dem Willen seines Reiters unterworfen ist.<<
>>Und das will Galbatorix mit mir versuchen?<< fragte Vanyali.
>>Sind wir deswegen von zu Hause weggegangen?<<
>>Woher weißt du denn das, Liebling?<< Saphira blickte völlig
fassungslos, als ihre Tochter diese Frage stellte. Um das
Drachenmädchen nicht unnötig zu ängstigen, hatten sie sich in ihren
Erzählungen stets bemüht, den „winzigen“ Teil auszulassen, dass sich
Galbatorix von den Toten erhoben hat und nun hinter ihr her war.
>>Ich habe… zugehört.<< antwortete Vanyali und blickte ein wenig
verschämt. >>Du bist mir deswegen doch nicht böse?<<
>>Nein, natürlich nicht. Auch wenn es sich nicht gehört, die
Erwachsenen zu belauschen.<< antwortete Saphira und war verblüfft
wie klug ihre kleine Tochter bereits war. Was brachte es jetzt noch
die Wahrheit vor ihrer Tochter zu verheimlichen, die sie früher oder
später so oder so erfahren hätte. >>Ja, es stimmt. Galbatorix ist
wieder in Alagaesia und will dich uns wegnehmen. Aber keine Angst,
Lili. Wir werden es nicht dazu kommen lassen und dich vor ihm
beschützen und wenn wir in Ellesmera angekommen sind, werden uns
auch die Elfen beistehen.<<
>>Ich weiß, das ihr mich beschützen werdet.<<
>>Du verstehst für dein Alter schon erstaunlich viel.<< merkte
Saphira an.
>>Vater hat mir vieles beigebracht und immer mit mir gesprochen.<<
>>Ein herausragender Drachenvater.<< lächelte Saphira und war auf
ihren Gefährten sehr stolz.
>>Ich hab euch lieb, Mutter.<< sprach Vanyali und legte ihren Kopf
müde auf die Vorderpfoten
>>Wir haben dich auch lieb, kleine Prinzessin.<< antwortete Saphira
freudestrahlend und schmiegte sanft die Schnauze an die Wange ihrer
Tochter.
Kapitel 35
>>Es ist Zeit aufzustehen, Lili.<<
flüsterte Saphira. >>Wir brechen nach Ellesmera auf.<<
>>Jetzt schon?<< jammerte Vanyali verschlafen. >>Es ist doch noch so
früh.<<
>>Es ist sogar schon ziemlich spät.<< sprach Eragon. >>Die Sonne geht
bereits auf.<<
>>Nur noch einen Moment.<< stöhnte das Drachenmädchen und legte sich
wieder an die warme Flanke ihrer Mutter.
Eragon schnaubte und ließ dabei dunklen Rauch aus seinen Nüstern
aufsteigen.
>>Ich weiß eine Möglichkeit, wie wir sie zum Aufstehen bewegen können.
<< lächelte Saphira und lehnte sich zu ihrer Tochter hinunter und begann
sie mit der Zunge zu putzen.
>>Aufhören!<< klagte Vanyali und versuchte der riesigen Zunge zu
entkommen.
>>Stell dich nicht so an, Vanyali<< sprach Saphira amüsiert. >>Wir
werden bald den Elfen begegnen und da darf eine Drachendame nicht
schmuddelig aussehen.<<
>>Ja, Mutter...<<
---
Angeführt von Eragon setzte die Gruppe ihre Reise fort. Je mehr sie sich
ihrem Bestimmungsort näherten, umso nervöser wurde Murtagh.
>>Ich habe immer noch Zweifel, dass es eine so gute Idee war
mitzukommen.<< murmelte Murtagh an Dorn gerichtet.
>>Das werden wir bald erfahren.<< antwortete der rote Drache.
>>Der Grenzposten ist ganz in der Nähe.<< merkte Eragon an. >>Wir werden
landen und uns ankündigen.<<
Eragon entschloss sich dafür vorübergehend seine menschliche Gestalt
anzunehmen, da nur wenige Elfen über Eragons Geheimnis Bescheid wussten.
Der Grenzposten erkannte Eragon sofort, nachdem dieser ihn ansprach.
"Argetlam!" grüßte der Elf mit einer Verbeugung und führte den Zeige-
und Ringfinger an die Lippen.
Eragon tat es im gleich und sprach: "Wir bitten um Erlaubnis Ellesmera
betreten zu dürfen."
"Aber dafür braucht ihr doch keine Erlaubnis." antwortete der Elf. "Du
und deine Drachendame, seid in Ellesmera jederzeit herzlich willkommen.
Aber wo ist sie denn? Ist sie denn gar nicht bei dir?"
"Im Augenblick befindet sie sich bei unseren Begleitern... Murtagh und
Dorn."
"Der Verräter ist hier?" schrie der Elf plötzlich auf, doch sofort
senkte er seinen Ton, als ihm wieder einfiel, wen er vor sich hatte.
"Ich kann verstehen, dass die Elfen noch immer von Vorurteilen geprägt
sind, aber ich garantiere, dass weder von ihm, noch von seinem Drachen
eine Gefahr für euer Volk besteht." verteidigte Eragon seinen Bruder.
"Die beiden bereuen ihre Taten zutiefst und erbitten die Erlaubnis
Ellesmera betreten zu dürfen."
"Ich entschuldige mich für mein unangemessenes Verhalten." antwortete
der Elf. "Ihr dürft passieren, aber ich rate euch trotzdem Vorsicht
walten zu lassen. Auch wenn sie ihre Taten bereuen, wird das einige
Elfen nicht beeindrucken."
"Das ist uns sehr wohl bewusst." sprach Eragon und verließ wieder den
Grenzposten. Insgeheim hatte Eragon jedoch gehofft, dass die Zeit alle
Wunden heilen würde, doch offenbar galt das nicht für die Elfen.
---
>>Wie ist es gelaufen, Eragon?<< fragte Saphira, als ihr Gefährte
zurückkehrte.
"Murtagh und Dorn dürfen Ellesmera betreten." erklärte Eragon. "Aber die
Elfen hegen zum Teil immer noch einen Greul gegen sie."
"Als wenn es so einfach wäre..." murmelte Murtagh.
---
"Eragon!" rief eine bekannte Stimme, als sie die Elfenstadt betraten.
Eragon, der sich immer noch in seiner menschlichen Gestalt befand drehte
sich um und erblicke Arya, die ihn mit einer Umarmung begrüßte, was
Saphira deutlich missfiel. "Der Grenzposten hat uns berichtet, dass ihr
kommen würdet. Es ist lange her, als wir uns das letzte Mal gesehen
haben."
"Das stimmt, Arya." antwortete Eragon lächelnd.
"Ist es wahr, dass ihr jetzt... Eltern seit?" fragte sie zögerlich.
>>In der Tat.<< antwortete Saphira stolz.
Saphira trat ein Stück beiseite, um Vanyali der Elfin vorzustellen.
>>Arya, das ist unsere Tochter Vanyali.<<
Die anwesenden Elfen blickten erstaunt und murmelten untereinander.
Selbst Arya stockte beinahe der Atem.
"Sie ist der erste in Freiheit geborene Drache seit Jahrhunderten! Ein
echtes Wunder!"
Vanyali, die es nicht gewohnt, derart im Mittelpunkt zu stehen, verhielt
sich sehr verschüchtert, als die vielen Elfen immer näher traten um sie
zu mustern.
Saphira bemerkte Vanyalis Unbehagen und knurrte den Elfen eine leichte
Warnung entgegen.
Die Elfen verstanden sogleich ihre Warnung und wichen zurück.
"Wir haben viel zu bereden." erklärte Eragon an Arya gewandt. "Wir
müssen unbedingt zu Königin Islanzadi."
Arya nickte kaum auffallend, da sie spürte wie empfindungslos Eragon ihr
gegenüber wirkte.
"Meine Mutter erwartet euch bereits."
Eragon begab sich dicht gefolgt von Saphira in den Thronsaal.
"Seid gegrüßt, Eragon Schattentöter und auch du Saphira
Schimmerschuppe." Wurden sie mit den Worten von Königin Islanzadi
willkommen geheißen. "Seit eurer Abreise hatten wir nichts mehr von euch
gehört. Als Arya mir sagte, dass ihr beide eine Familie gegründet habt,
erfüllte dies mein Herz mit Freude. Doch sehe ich euch an, dass ihr in
ernsten Angelegenheiten hier seid."
"Unsere Nachrichten sind in der Tat sehr unerfreulich, Königin
Islanzadi." antwortete Eragon. "Galbatorix ist es durch einen verbotenen
Zauber gelungen, den Tod zu überlisten und weilt wieder unter den
Lebenden."
"Gerüchte über Galbatorix angeblicher Wiederkehr sind bereits bis ins
Elfenreich vorgedrungen." sprach die Königin mit leiser Stimme. "Also
hatte Nasuada recht, mit dem was sie behauptete?"
"Ich fürchte ja, eure Majestät." erklärte Eragon. "Er ist hinter unserer
Tochter her, da er für die Erneuerung seiner Macht einen Drachen
benötigt. Wir sind hier her nach Ellesmera gekommen, weil wir in unserer
Heimat nicht länger vor ihm sicher sind und Du Weldenvarden für uns
bestmöglichen Schutz bietet."
"Eragon, das Volk der Elfen lebt nicht mehr so isoliert von der
Außenwelt, wie es noch zu Zeiten des Krieges der Fall war. Es besteht
überdies ein Handelsabkommen mit Königin Nasuada, welches für uns
inzwischen überlebenswichtig ist." erklärte Islanzadi. "Deswegen wurde
der magische Schutzwall für die fahrenden Händler gesenkt."
Eragon uns Saphira waren schockiert. Sollte es selbst in Ellesmera
keinen wirklichen Schutz vor Galbatorix geben?
"Natürlich werden wir euch bei eurem Kampf gegen Galbatorix helfen so
gut es geht." sprach die Elfenkönigin, als sie das Zusammenzucken der
beiden bemerkte. "Aber bedenkt dabei auch, dass durch den Krieg unsere
Armee noch immer nicht zu ihrer alten Stärke zurückgefunden hat. Oromis
ist des Kämpfens müde geworden und Glaedr kann euch nur durch seine
Weisheit unterstützen."
>>Das verstehen wir.<< meldete sich Saphira zu Wort.
"Es gibt auch noch eine andere Angelegenheit zu besprechen." schnitt
Eragon ein. "Mein Bruder Murtagh und sein Drache Dorn sind hier und
wünschen im Reich der Elfen freies Geleit. Ich versichere euch, dass sie
nicht unter dem Einfluss von Galbatorix stehen und sich als eine große
Bereicherung für unsere Familie erwiesen haben."
"In Anbetracht der wachsenden Bedrohung durch Galbatorix wird ihm und
sein Drache in Ellesmera freies Geleit gewährt." sprach Islanzadi. "Aber
ich würde vorher gerne mit ihnen persönlich sprechen."
"Selbstverständlich eure Majestät." sprach Eragon und verließ mit
Saphira den Thronsaal.
Kapitel 36
Nach Murtaghs Audienz bei der
Elfenkönigin brachen sie schließlich gemeinsam zur Hütte von Oromis auf,
um ihren ehemaligen Lehrmeistern einen Besuch abzustatten.
Besonders freuten sich Eragon und Saphira darüber ihnen endlich ihre
Tochter vorstellen zu können.
>>Herzliche Gratulation ihr zwei, ich bin stolz auf euch!<< sprach
Glaedr. >>Die Götter lächeln wahrlich auf uns Drachen hinab.<<
Vanyali näherte sich dem riesigen Drachen mit vorsichtigen Schritten.
Einen so riesigen Drachen hatte sie noch niemals zuvor gesehen.
>>Komm nur näher, junge Drachendame.<< sprach Glaedr mit ruhiger Stimme.
>>Hab keine Angst.<<
Murtagh und Dorn verhielten sich äußerst zurückhaltend. Zwar verlief das
Gespräch mit Königin Islanzadi überraschend zuversichtlich, doch als sie
sahen in welchem Zustand sich Glaedr befand, wurden sie von schweren
Gewissensbissen geplagt.
Auch der kleinen Vanyali entging es nicht, dass der große Drache nur
seinen Kopf bewegen konnte und fragte neugierig, was mit ihm los wäre.
>>Mein Rückgrat ist gebrochen.<< antwortete Glaedr. >>Das ist eine alte
Kriegsverletzung, die ich mir zuzog.<<
"Durch unsere Schuld!" brach es plötzlich aus Murtagh heraus. "Denn wir
haben ihn dorthin gebracht!"
>>Ihr wurdet von Galbatorix kontrolliert und wart nicht Herr eurer
Sinne.<< sprach Glaedr.
>>Kann man dich nicht heilen?<< fragte Vanyali.
"Das Problem ist seine Größe, liebes Drachenkind." sprach Oromis. "Um
ihn von seiner Lähmung befreien zu können, wäre eine immense Menge an
magischer Energie nötig und dazu sind normale Magier nicht in der Lage."
Eragon hob seine Pfote und schaute auf sein Gedwey Ignasia und dachte
nach. Als Drache behielt er trotz seiner Verwandlung immer noch seine
magischen Fähigkeiten, die er bereits schon als Reiter besaß.
Könnte es tatsächlich funktionieren...?
>>Freunde, ich glaube es gibt doch eine Möglichkeit!<< sprach er
schließlich.
Überrascht blickten sie Eragon an.
>>Was denn für eine Möglichkeit?<< fragte Saphira und Eragon zeigte
allen sein silbernes Mal.
>>Wie ihr sehen könnt, besitze ich immer noch das Gedwey Ignasia und
somit auch meine magischen Kräfte.<< erklärte er. >>Es ist eine riskante
Sache, aber wenn wir Drachen alle unsere Kräfte zusammen bündeln, könnte
die Menge an magischer Energie vielleicht ausreichen um Glaedr von
seiner Lähmung zu befreien.<<
"Das ist ein sehr waghalsiges Unterfangen!" sprach Oromis. "Ich kann
deine Idee nicht gutheißen!"
>>Einen Moment!<< schnitt Glaedr plötzlich ein. >>Eragons Magie wird
sich durch seine Verwandlung noch um ein Vielfaches gesteigert haben und
ich glaube, dass sein Vorhaben gelingen könnte. Ich bin mit seiner Idee
einverstanden.<<
Oromis diskutierte heftig mit seinem Drachen, doch irgendwann
resignierte er an Glaedrs Sturheit und gab ebenfalls sein
Einverständnis.
>>Was sollen wir tun, Eragon?<< fragte Saphira.
Der blaue Drache wandte sich Saphira und Dorn zu und >>Stellt euch um
Glaedrs Körper herum auf und berührt ihn.<<
>>Und was ist mit mir?<< fragte Vanyali. >>Ich möchte auch helfen.<<
>>Tut mir leid, Lili.<< sprach Eragon sanft. >>Das ist für ein kleines
Drachenmädchen viel zu gefährlich. Wir wissen noch nicht einmal wie viel
an Energie von uns großen Drachen abgezogen wird.<<
Wie besprochen nahmen die Drachen ihre Positionen um Glaedr ein. Danach
berührte Eragon mit seiner Pfote genau die Stelle, an der sich der
schwere Schaden an der Wirbelsäule befand.
Eragon beobachtete wie Dorn und Saphira den riesigen Drachen berührten
und konzentriert ihre Augen schlossen.
Der blaue Drache zögerte für einen kurzen Moment und blickte seinen
alten Mentor an, doch dieser nickte ihm nur wortlos zu.
>>Macht euch bereit. Ich werde jetzt beginnen!<<
Eragon begann sich auf die Verletzung zu konzentrieren und rief die
Worte: >>Waíse Heill!<<
Vorsichtig begann er die beschädigten Nervenstränge zu heilen und wieder
zusammenzufügen. Allerdings stellte sich Glaedrs Wirbelsäulenverletzung
als viel komplizierter heraus, als angenommen und mit einem Mal, spürte
Eragon, wie er immer schwächer wurde und bekam es plötzlich mit der
Angst zu tun, da ihm der Zauber bereits einen erheblichen Teil seiner
Kraft abgezogen hatte. Als Eragon kurz seine Augen öffnete stellte er
fest, dass Saphira und Dorn mit demselben Problem zu kämpfen hatten und
sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
>>Etwas passiert!!<< sprach Glaedr. >>Ich kann meinen Körper spüren!<<
>>Nur noch ein klein wenig mehr!<< dachte Eragon und hielt den magischen
Heilzauber noch für eine kurze Weile aufrecht, bis er sich sicher war,
Glaedrs Wirbelsäulenverletzung geheilt zu haben.
Als Eragon spürte, dass er es geschafft hatte, lächelte er schwach und
sank zu Boden, als ihm im nächsten Moment durch den hohen Energieverlust
das Bewusstsein entwich.
>>ERAGON!<<
>>VATER!<<
Das nächste, was Eragon wahrnahm waren die verschwommenen Umrisse seiner
Tochter, die ihm mit ihrer rauen Zunge über das Gesicht leckte.
>>Eragon, mach so etwas nicht noch mal!<< tadelte Saphira. >>Du hast uns
allen einen riesigen Schrecken eingejagt.<<
>>Waren wir erfolgreich...?<< stöhnte Eragon und fühlte sich wie nach
einem Trinkgelage.
>>Siehe selbst.<< sprach Saphira und wies auf Glaedr, der mit großer
Anstrengung dabei war, sich aufzurichten. Seine Glieder waren durch die
langen Jahre der Nichtbenutzung noch etwas steif, aber er schaffte es
dennoch aufzustehen und sich kurz auf den Beinen zu halten.
>>Ich sagte doch, das es klappen wird!<< sprach Eragon selbstzufrieden.
>>Ich habe nicht eine einzige Sekunde lang daran gezweifelt, mein
Liebster.<< log Saphira. >>Kommt, lasst uns zu den Elfen zurückkehren
und ihnen die erfreuliche Botschaft verkünden.<<
---
Die Freude der Elfen über Glaedrs wundersame Genesung hätte kaum größer
sein können. Königin Islanzadi lies zu Ehren der Drachen ein grandioses
Fest ausrichten, welches neun Tage und neun Nächte lang andauern sollte.
Zur großen Überraschung aller, gab Islanzadi in einer feierlichen Rede
bekannt, dass Murtagh und Dorn durch ihren Anteil an Glaedrs Heilung den
Respekt der Elfen erlangt hatten.
---
Die folgenden Wochen verliefen sehr ruhig und ohne besondere
Begebenheiten. Fast schon schien es so, als würde die Bedrohung durch
Galbatorix gar nicht mehr existieren.
Für Vanyali war es inzwischen an der Zeit das Fliegen zu erlernen und so
kam es, dass sich die Drachenfamilie für Vanyalis großen Tag, an einem
hochgelegenen Felsplateau einfanden, während es sich Dorn ganz in der
Nähe gemütlich gemacht hatte und dem Treiben interessiert zusah.
>>Glaubt ihr, dass ich dafür schon bereit bin?<< fragte Vanyali und
wandte sich ihren Eltern zu.
>>Deine Flügel sollten inzwischen stark genug sein um dich zu tragen.<<
meinte Eragon und öffnete seine Schwingen. "Als erstes solltest du deine
Flügel schlagen, aber so dass sie im Einklang zueinander sind.<<
>>Gleichzeitig?<< fragte Vanyali.
>>Ganz genau.<< nickte Eragon. >>Um abzuheben benutze nur sanfte
Flügelschläge, denn wenn du wie wild anfängst zu flattern, wirst du
fallen wie ein Stein. Da deine Mutter zweifellos die bessere Fliegerin
von uns ist, wird sie dir zeigen wie man richtig vom Boden abhebt.<<
Die blaue Drachin machte einen Satz und schwang sich mit einem mächtigen
Flügelschlag in die Luft.
>>Es ist wichtig, das du den Wind unter den Flügeln spürst.<< meinte
Saphira. >>Versuche es mal.<<
Vanyali knurrte und flatterte einige Male mit ihren Flügeln. Sie
versuchte die Bewegungen ihrer Mutter zu imitieren und sprang ebenfalls
in die Lüfte, jedoch vergas sie dabei mit den Flügeln zu schlagen und
plumpste auf den Boden.
>>Lili, ohne deine Flügel kannst du nicht fliegen.<< lachte Eragon und
richtete seine Tochter auf. >>Möchtest du es noch einmal versuchen?<<
>>Ich werde nicht aufgeben!<< grummelte Vanyali.
>>Das ist die richtige Einstellung.<< lächelte Eragon.
>>Komm schon, Liebes. Du schaffst das!<<
Vanyali probierte es erneut und schlug beide Flügel gleichzeitig.
Diesmal schien sie es tatsächlich zu schaffen und stieg hoch in den
Himmel auf, bis sie sich neben ihrer Mutter befand.
>>Das machst du prima, Lili.<< sprach Saphira stolz.
>>Du lernst schnell.<<
>>Meinst du?<< fragte die kleine Drachin und begann einen fatalen
Fahler, als sie durch die plötzliche Ablenkung ihre Konzentration verlor
und abstürzte.
Saphira versuchte ihre Tochter zu erreichen, doch sie wußte, dass sie
nicht rechtzeitig erreichen würde.
>>Schlag mit den Flügeln, Kind!<< schrie sie Dorn an, doch Lili war in
völliger Panik verfallen.
Geistesgegenwärtig sprang Dorn auf und jagte ihr hinterher, als der
Boden gefährlich nahe rückte.
>>Du musst deine Flügel öffnen!<< brüllte Dorn, doch die junge Drachin
machte keine Anstalten ihre Flügel zu öffnen.
>>Ich kann nicht! Ich habe Angst!<<
Dorn flog so schnell ihn seine Flügel tragen konnten und schnappte sich
die Drachin und streifte dabei mit seiner Flanke einige Baumwipfel.
>>Mache so etwas nicht noch einmal, Mädchen!<< schimpfte Dorn.
>>Wolltest du, das deine Eltern deinen Tod betrauern?<<
>>Nein...<< sprach Vanyali.
Behutsam legte Dorn die verschreckte Drachin auf dem Boden ab.
>>Vanyali!<< tadelte Saphira und landete neben ihrer Tochter. >>Das war
wirklich sehr leichtsinnig von dir! Wenn Dorn nicht gewesen wäre, hätten
wir dich verloren.<<
>>Ich weiß nicht was über mich gekommen ist. Ich hatte plötzlich
Angst.<< wimmerte Vanyali. >>Ich habe euch enttäuscht. Es tut mir
leid.<<
>>Lili, du hast uns nicht enttäuscht.<< sprach Eragon ruhig. >>Jeder
macht irgendwann einmal Fehler, aber du musst wirklich achtsamer sein.
Unüberlegtheit kann absolut lebensgefährlich sein.<<
>>Ich werde beim nächsten Mal vorsichtiger sein, versprochen!<<
---
Arya lehnte sich gegen einen großen Baum und schluchzte leise. All die
aufgestaute Trauer und Wut über ihre verschmähte Liebe brach nun aus ihr
hervor.
"SIE hat ihn mir weggenommen!" wisperte sie.
Plötzlich stürzten sich fünf verhüllte Gestalten aus dem Gebüsch hervor
und überfielen die überraschte Elfin.
"Na, wenn das nicht Arya ist?!" sprach einer von ihnen. "Fesselt sie!
Aber krümmt ihr kein Haar. Unser Meister will sie Lebend haben!"
"Wer seid ihr und woher kennt ihr meinen Namen?" fragte sie und
versuchte sich vergebens aus den Fesseln zu befreien.
"Das wirst du früh genug erfahren!"